Wesel Erinnern und widerstehen

Am heutigen 9. November findet der 80. Gedenktag an die Reichspogromnacht statt. Vor 80 Jahren, in der Nacht vom 9. auf dem 10. November 1938, hatten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen und jüdische Gemeindehäuser niedergebrannt und Juden gedemütigt, verhaftet und umgebracht.

 Superintendent Thomas Brödenfeld

Superintendent Thomas Brödenfeld

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Dabei wurden vom 7. bis 13. November 1938 etwa 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Mehr als 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Ab dem 10. November wurden rund 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, von denen Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben. Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung. Auch im Rheinland sind damals mehr als die Hälfte aller Synagogen und jüdischen Gebetshäuser beschädigt oder zerstört worden. Spätestens diese Nacht roher Gewalt markierte vor den Augen der Öffentlichkeit das vorläufige Ende des jüdischen Lebens in Deutschland. Gelang nicht mehr die Flucht, führte der Weg in die Vernichtung.

80 Jahre später ist das Erinnern und Widerstehen gegen alle antisemitischen Äußerungen und Gewaltakte in unserem Land wichtiger denn je. Alte und neue Nazis, rechtsradikale Schlägertruppen, Funktionäre, Mitglieder und Anhänger der AfD, die unverhohlen ihre Judenfeindlichkeit proklamieren, müssen von der Mehrheit einer couragierten Bürgergesellschaft deutlich und kompromisslos in ihre Schranken gewiesen werden. Dies gilt ebenso für viele muslimische Flüchtlinge, die seit 2015 in unser Land gekommen sind. Neuere Untersuchungen belegen, dass mehr als dreiviertel aller muslimischen Flüchtlinge von einem radikalen Antisemitismus in ihren Herkunftsländern geprägt sind, den sie hier offen ausleben. Es gilt in diesen Zeiten, das Vermächtnis der Überlebenden der Pogromnacht und der Shoah zu bewahren.

In wenigen Jahren werden keine jüdischen Zeitzeugen des Holocaust und der Gewaltakte vom 9. November 1938 mehr unter uns sein. Dass aber jetzt wieder jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Angst vor antisemitischen Übergriffen und Bedrohungen Deutschland verlassen und nach Israel auswandern, darf niemanden in unserem Land unberührt lassen. Das unablässige Erinnern an die Ereignisse von 1938 und an den Terror, der darauf folgte und das mutige Widerstehen gegen jede Form antijüdischer Hetze muss zu einer Haltung werden, der sich jeder von uns verpflichtet fühlen muss.

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