Wesel Streit um Wert von Straßen und Kanälen

Wesel · Schwere Versäumnisse beim Jahresabschluss 2016 wirft SPD-Fraktionschef Ludger Hovest dem Weseler Kämmerer vor. Es geht um eine Notiz aus dem Rechnungsprüfungsamt. Dahinter steckt auch ein Machtkampf um die Stadtfinanzen.

Der Dauerstreit zwischen SPD-Fraktionschef Ludger Hovest und dem Weseler Kämmerer Paul-Georg Fritz (Grüne) ist seit gestern um ein Kapitel reicher - es könnte eines der letzten sein, weil Hovest angekündigt hat, dass die SPD die Wiederwahl von Fritz im kommenden Jahr nicht unterstützen wird. "Die SPD wird keinen Antrag auf Verlängerung der Amtszeit stellen", sagte Hovest. Konkret geht es um einen Vermerk des Weseler Rechnungsprüfungsamt im Jahresabschluss 2016. Demnach hat Gerd Droste, Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, im vom Kämmerer verantworteten Jahresabschluss nur einen "eingeschränkte Bestätigungsvermerk" notiert. Er äußert damit die Skepsis, dass Wesel nicht das Vermögen besitzt, das in den Büchern steht. Hintergrund sei, so Hovest, dass der Wert der Straßen, Kanäle und Kläranlagen nicht ordnungsgemäß überprüft wurde. Eine solche Inventur sei gesetzlich gefordert. Derzeit stehen die Straßen, Wege und Plätze in Wesel mit einem Gesamtwert von 57,4 Millionen Euro in den Büchern, die Kanäle und Kläranlagen mit 95,2 Millionen Euro. Sind sie mehr oder weniger wert? Genau dies solle man jetzt mal feststellen, fordert Hovest. Einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk in einem Jahresabschluss wegen eines solchen Falles habe es "in 100 Jahren nicht gegeben", so der SPD-Fraktionschef, der nachlegt: "Fritz hat seine Schularbeiten nicht gemacht."

Was der SPD-Fraktionschef als einen Eklat darstellt, ist aus Sicht von Kämmerer Fritz, Grünen-Mitglied nur eine Frage der Interpretation. Fritz sieht eine regelmäßige Inventur von Straßen und Kanälen nicht als Pflichtprogramm. Gefordert sei eine Inventur, wenn der Aufwand in einem Verhältnis zum Ergebnis stünden. 2008 im Rahmen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements seien die Werte von Straßen und Kanälen geschätzt worden - seitdem sei diese Schätzung kontinuierlich fortgeschrieben worden. Kämmerer Fritz geht davon aus, dass der Wert von Straßen und Kanälen der ist, der derzeit auch in den Büchern steht. Für den Jahresabschluss 2016 soll der Vorgang keine konkrete Auswirkung haben, sagte Hovest. "Wir werden dennoch beschließen." Allerdings werde er fordern, dass die Kämmerei die Rückstände schleunigst aufarbeite.

Hinter dem Konflikt steht auch der bereits lange währende Streit um die Stadtfinanzen. Der SPD-Fraktionschef hatte zuletzt immer wieder kritisiert, dass Fritz den Haushalt zu defensiv plane.

Der SPD-Fraktionschef und die Stadtfinanzen: Unter Haushaltsexperten in Politik und Verwaltung gibt es noch eine andere Rechnung. Als Ludger Hovest 1986 Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat wurde, habe die Stadt Wesel 94.174.000 DM Schulden gehabt. Diese seien dann bis 2010 auf einen Betrag in Höhe von 134.577.934 Euro Schulden angestiegen. Seitdem Fritz im Jahr 2011 Kämmerer wurde, sei der Schuldenstand dann wieder kontinuierlich gesunken, auf derzeit rund 111.354.685 Euro.

(RP)
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