Wesel Sprengkommando mit Orientromantik

Wesel · Die Ausstellung "Playing Lawrence on the other side" im Preußen-Museum entführt die Besucher in ein Abenteuer.

 Dezember 1914: Am Sammelpunkt in Aleppo ist die deutsche Expedition um Fritz Klein (Mitte) ein Teil der verbündeten osmanischen Armee.

Dezember 1914: Am Sammelpunkt in Aleppo ist die deutsche Expedition um Fritz Klein (Mitte) ein Teil der verbündeten osmanischen Armee.

Foto: Ekkehart Malz

Der Erste Weltkrieg ist noch jung, als im Spätherbst 1914 eine deutsche Expedition unter dem Kommando von Fritz Klein aus dem Siegerland zusammengestellt wird, die so ganz anders ist. Die Truppe soll im Orient mit Stammeskriegern Unruhe stiften, britische und russische Kräfte binden und Öl-Pipelines der Briten am Persischen Golf zerstören. Das gelingt bis 1916 auch vergleichsweise gut, doch das Außergewöhnliche ist die Zusammenstellung des Verbandes und die interkulturelle Kompetenz seiner Mitglieder. Die waren nicht nur Militärs, sondern Spezialisten unterschiedlichster Fachgebiete. Zudem beseelt von Karl May und 1001 Nacht. Im Preußen-Museum ist der facettenreiche Zug der Expedition Klein derzeit äußerst aufwendig dargestellt. Ein Muss für Geschichtsfreunde und eine willkommene Abwechslung für Festmüde zwischen den Jahren. Wer eine Führung mitmacht, taucht ein in ein Abenteuer mit Orientromantik.

November 1914: Hauptmann Klein bekommt in Konstantinopel (Istanbul) ein Begleitkommando der Verbündeten und wird so zum osmanischen Major. Listenreich hat zu diesem Zeitpunkt sein jüdischer Adjutant Edgar Stern schon 14 kriegsgefangene Nordafrikaner durch Rumänien hergelotst. Getarnt als Wanderzirkus.

 Ein Symbol interkultureller Toleranz ist in der Ausstellung Lessings Figur "Nathan der Weise" vor dem Bild der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin.

Ein Symbol interkultureller Toleranz ist in der Ausstellung Lessings Figur "Nathan der Weise" vor dem Bild der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Dezember 1914: Aleppo ist Sammelpunkt. Die deutsche Gruppe wächst zunächst auf 20, später auf 70 Leute, meist Experten. Archäologen sind dabei, Kaufleute, Ingenieure, Orientalisten. Klein schreibt den Erfolg später "einer Kollektivleistung" zugute. Türken und Ägypter komplettieren den Trupp.

Januar 1915: Klein unternimmt mit kleinem Gefolge einen Alleingang nach Kerbela, kann hohe schiitische Geistliche als Unterstützter im Kampf gegen britisch-russische Fremdherrschaft gewinnen. Das hilft ihm später, schiitische Stämme im Irak und in Persien auf seine Seite zu bekommen. Klein muss sich in Bagdad wegen seines Solo-Ritts gegenüber deutschen und osmanischen Stellen rechtfertigen.

März/April 1915: Klein und seine Expedition sind für die Versorgung der osmanischen Iraktruppen zuständig. Sie kümmern sich um Ausbildung und Sanitätswesen, Rüstungsbetriebe, Mühlen, Bäckereien, Öllager, Schifffahrt und um die berühmte Bagdadbahn. Bergingenieur Hermann Blumenau entdeckt Kohle und legt ein Bergwerk an, das den Nachschub für die türkische Flotte sichert. Erneut startet Klein einen Alleingang und gibt einem vorrückenden türkischen General sein Sprengkommando mit. Das zerstört mit arabischen Stämmen mehrfach die britische Pipeline am Karun. Das Auswärtige Amt schätzt Verluste der Briten auf zwölf Millionen Mark, die Kosten der Expedition Klein betragen 370 000 Mark.

Mai/Juni 1915: Das Sprengkommando entkommt beim osmanischen Rückzug mit knapper Not in Amara den vorrückenden Briten.

August 1915: Klein scheidet aus dem osmanischen Dienst aus, wird bei der deutschen Gesandtschaft in Teheran Oberbefehlshaber in Westpersien. Für Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz Pascha wirbt er weitgehend irreguläre Truppen an, die 20 000 russische Soldaten binden und vom Durchbruch in den Irak abhalten können.

Februar 1916: Die Russen setzen sich durch. Klein reist in die Heimat, wird an anderen Fronten eingesetzt.

Nach dem Krieg wird Fritz Klein zum Kritiker des Imperialismus, träumt von einer Symbiose von Abend- und Morgenland. Edgar Stern-Rubarth wird liberaler Pressepolitiker, geht 1936 ins britische Exil und gibt mit seinem Buch "Playing Lawrence on the other side" der jetzigen Schau den Titel. Sie dokumentiert den großen Rahmen auch mit prachtvollen Geschenken des Sultans an Kaiser Wilhelm II., mit phantastischen Fotos von Pascal Sébah und erstmals gezeigten islamischen Handschriften von Max von Oppenheim.

Die Ausstellung ist bis zum 25. Januar zu sehen (dienstags bis sonntags, 11 bis 17 Uhr). Eintritt: 6,50, ermäßigt 5,50 Euro. Heute und morgen sowie Silvester und Neujahr ist das Museum geschlossen.

(RP)
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