Wesel So guckt Wesel die Sonnenfinsternis

Wesel · Als Kerstin Martin (27) vor einigen Tagen in der Stadt war, hatte sie kein Glück mehr. Auf der Suche nach einer Sonnenfinsternis-Spezialbrille klapperte sie gefühlt jeden Optiker in Wesel ab - ohne Erfolg.

Sonnenfinsternis-Brillen sind im Moment so begehrt wie bei Apple-Fans das neuste Smartphone. Seit Tagen sind die Papp-Gestelle mit der Schutzfolie ausverkauft, weil offensichtlich ganz Wesel heute die Sonnenfinsternis gucken will.

Beim Frühstück hörte Kerstin Martin gestern Radio. Die Moderatoren der 1Live-Morgensendung, Olli Briesch und Michael Imhof, verlosten drei Sonnenfinsternis-Brillen - einige der vermutlich letzten Exemplare deutschlandweit. Kerstin Martin griff zum Hörer, weil ihr Freund sie dazu animierte. Sie dachte natürlich nicht, dass sie durchkommen würde, sollte im Gegensatz zur Suche in der Stadt beim Radio aber nicht leer ausgehen.

Riesig hat sich die 27-jährige Weselerin gefreut über ihren Gewinn - denn gewonnen hat sie vorher noch nie etwas -, sie konnte es entsprechend gar nicht glauben, als die Moderatoren in der Show ihren Namen sagten. "Ich würde die Brille nicht mal gegen eine Million Euro eintauschen", sagt Martin lächelnd, zumindest heute, am Tag der Sonnenfinsternis.

Mit ihrem Freund wird sie auf dem Balkon das Naturschauspiel beobachten, und sie will ihre Brille sogar mit ihm teilen. Denn ohne die sollte man keinesfalls in die Sonne gucken, warnt der Weseler Augenarzt Dr. Lothar Gülden.

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Foto: Hertgen, Nico

"Unglaublich, wie viele Leute sich für die Sonnenfinsternis interessieren. Mich rufen schon seit Tagen Leute an, die wissen wollen, ob sie nicht alternativ mit Sonnen- oder Schweißerbrillen das Naturspektakel ansehen können. Ich sage da nur: Bloß nicht, unter keinen Umständen." Auch Rettungsfolie sei absolut ungeeignet, sagt der Facharzt. Der schüttelt nur noch verständnislos mit dem Kopf, wenn er hört, dass Leute sogar mit dem Fernglas die Sonnenfinsternis beobachten wollen. "Wenn man ungeschützt die Sonne ansieht, dann kann Verbrennungen des Zentrums der Netzhaut zur Folge haben." Sein Tipp: "Wer keine Spezialbrille mehr bekommt, sollte sich die Sonnenfinsternis einfach abends im Fernsehen anschauen." Gülden selbst hat noch eine Spezialbrille von der letzten Finsternis 1999. Falls es seine Zeit erlaubt, wird er sie aufsetzen und bei hoffentlich klarem Himmel das seltene Spektakel genießen - während einer Pause bei einer Fortbildung in Düsseldorf.

Foto: Radowski

In der GGS Hamminkeln wird das Thema Sonnenfinsternis natürlich auch behandelt - schließlich kommt das Ereignis nur alle Jubeljahre vor. Und weil nicht alle Kinder eine Brille haben, wird im Eingangsbereich kurzerhand ein Beamer aufgebaut, auf dem Live-Bilder von draußen übertragen werden. Dabei war eigentlich etwas ganz anderes für heute mit den Kindern geplant, "irgendwie kam uns die Sonnenfinsternis dazwischen", sagt Schulleiterin Elisabeth Theurer. Zumindest thematisch passt so eine Sonnenfinsternis zu den Mini-Mint-Tag - dem naturwissenschaftlichen Thementag der Grundschule, der heute eigentlich im Mittelpunkt hätten stehen sollen.

(RP)