Aktion der Kirchengemeinden aus Schermbeck Zu Fuß zur letzten Ruhestätte

Schermbeck/Drevenack · Für Wanderer ging es zum jüdischen Friedhof in Krudenburg. Wolfgang Heumann führte die Gruppe an und gab interessante Einblicke in seine umfangreichen Dokumentationen. Die Tour ist Teil einer größeren Veranstaltungsreihe.

 Am Rande dieses Grabsteins berichtete Wolfgang Heumann (l.) über Unterschiede zwischen christlichen und jüdischen Beerdigungen.

Am Rande dieses Grabsteins berichtete Wolfgang Heumann (l.) über Unterschiede zwischen christlichen und jüdischen Beerdigungen.

Foto: Helmut Scheffler

Mit einem Besuch des jüdischen Friedhofes in Krudenburg begann am Sonntag die neunteilige Veranstaltungsreihe der Kirchengemeinde Drevenack, der Schermbecker Georgsgemeinde und der Schermbecker Ludgerusgemeinde zum bundesweiten Gedenken an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Bei sonnigem Wetter begrüßte die Drevenacker Pfarrerin Anke Bender 20 Wanderer auf dem Kirchplatz, die anschließend den ehemaligen Drevenacker Arzt Wolfgang Heumann über den Keltenweg und den Krudenburger Weg zum jüdischen Friedhof begleiteten.

Der seit 1983 in Drevenack wohnende Heumann trat kurze Zeit nach seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2009 einem Personenkreis bei, der sich damit befasst, Dokumentationen jüdischer Friedhöfe in Deutschland und inzwischen für einige Nachbarländer Deutschlands zu erstellen. Die Ergebnisse dieser Dokumentationen werden auf der Internet-Seite www.juedische-friedhoefe.info veröffentlicht. Dort findet man auch die Beschreibungen der jüdischen Friedhöfe in Dinslaken, Schermbeck, Wesel, Erle und Dorsten. Ziel ist es, durch die Beschäftigung mit dem Erbe der früheren jüdischen Bevölkerung ein vertieftes Verständnis für ihre Kultur und Religion zu fördern.

Eine systematische, wissenschaftlich detaillierte Bestandsaufnahme und Bearbeitung sind nicht beabsichtigt. Es geht darum, wichtige Aspekte anderen Interessenten und Friedhofs-Besuchern zu verdeutlichen. Dazu gehören Grabsteine und andere Baulichkeiten im heutigen Erhaltungszustand. Auch das Gesamtbild der Anlagen, ihre Einbettung in die jeweilige Umgebung sowie ihr mitunter eigentümlicher Reiz können dargestellt werden.

Wolfgang Heumann berichtete von jüdischen Familien, die sich seit dem 18. Jahrhundert in Krudenburg ansiedelten. Im Kirchenbuch der Drevenacker Kirchengemeinde wird für das Jahr 1728 ein Isaak Gumprecht genannt und für 1735 ein Moses Matthias, der sich von der evangelischen Kirchengemeinde Drevenack 50 Thaler zu fünf Prozent Zinsen auslieh. Auf einer historischen Karte befindet sich das Haus der Familie Aron Wolf. Im Kataster der Bürgermeisterei Schermbeck aus dem Jahr 1871 werden sechs Juden erwähnt. Es gab nach 1900 in Hünxe und Krudenburg keine Juden mehr. Obwohl die Nationalsozialisten in ländlichen Gemeinden am Niederrhein oft Hochburgen hatten, blieb es in den Gemeinden Hünxe, Krudenburg und Drevenack verhältnismäßig ruhig.

 Die Veranstaltung begann am Sonntag mit einer Wanderung von der Drevenacker Dorfkirche über den Keltenweg zum jüdischen Friedhof in Krudenburg.

Die Veranstaltung begann am Sonntag mit einer Wanderung von der Drevenacker Dorfkirche über den Keltenweg zum jüdischen Friedhof in Krudenburg.

Foto: Helmut Scheffler

Ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Krudenburg berichtet von Verstorbenen der Familien Seligmann Wolf und Aaron Wolf. Der Heimatforscher Kurt von Mallinckrodt hat im Rahmen der Auswertung der Schulchronik festgestellt, dass es noch die jüdische Familien van Gelder und Katzenstein gab. In einzelnen Quellen wird berichtet, dass im Obergeschoss des Hauses Aaron Wolf ein jüdischer Gottesdienst abgehalten wurde. Da der Verbindungsweg nach Schermbeck noch heute als „Judenweg“ bezeichnet wird, kann man auch vermuten, dass die Krudenburger Juden zur religiösen Gemeinde Schermbeck gehörten und auch dort die Synagoge besuchten.

Die meisten jüdischen Friedhöfe lagen außerhalb oder am Rande der Ortschaften. So war es auch für den Schermbecker Friedhof am Bösenberg und für den jüdischen Friedhof in Krudenburg. Die heutige Bebauung nahe der beiden Friedhöfe ist erst sehr viel später entstanden. Für Juden war es lange Zeit schwierig, Begräbnisplätze zu erwerben. Oft wurde ihnen Land zugewiesen, das anders nicht genutzt werden konnte. Die Tatsache, dass Krudenburg einen jüdischen Friedhof erhielt, obwohl es in Schermbeck bereits einen Friedhof gab, führte Wolfgang Heumann auf das Beerdigungsbrauchtum zurück. Die Verstorbenen mussten gewaschen werden, möglichst schnell beerdigt und die Leiche musste zum Friedhof getragen werden. Da war der elf Kilometer lange Weg nach Schermbeck ziemlich weit.

Wolfgang Heumann berichtete auch über das Brauchtum im Umfeld des Todes, der Beerdigung, der Trauergebräuche und des Grabschmucks, für den Steine dienen, die anstelle von Blumen verwendet werden. Männer müssen beim Betreten eines jüdischen Friedhofes eine Kopfbedeckung tragen.

Auf dem Krudenburger Friedhof wurden im 20. Jahrhundert keine Juden mehr beerdigt, sodass Platz frei blieb für die Beerdigung von Opfern des Spartakistenaufstands im März 1920. Sieben Rotfrontkämpfer, die in Drevenack ums Leben gekommen waren, wurden dort beerdigt, wie ein Gedenkstein unter den Eichen am Krudenburger Weg belegt. Am 1. Mai der Jahre zwischen 1921 und 1933 sollen oft auch starke Gruppen des Rotfrontkämpferbundes von dem Massengrab am südlichen Lippeufer durch Krudenburg zum Krudenburger Friedhof gekommen sein, um ihre gefallenen Kameraden durch eine Kranzniederlegung zu ehren.

Seit Mitte der 1950er-Jahre ist die Gemeinde Hünxe für die Pflege des Friedhofes zuständig. Auf nichtjüdische Besucher wirkt der Krudenburger Friedhof ein wenig ungepflegt. Die Art passt sich jedoch dem Aussehen der meisten jüdischen Friedhöfe an. Da der Friedhof die Vergänglichkeit des Menschen symbolisieren soll, lässt man der Natur meist freien Lauf, allerdings wird er in seiner Gesamtheit gepflegt. Man findet am Grab selten Blumenschmuck, denn das einzelne Grab und der Friedhof werden als Teil der Landschaft empfunden.

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