Schermbecker Pfarrer Honermann „Papst Franziskus schlägt keine Türen zu“

Schermbeck · GASTBEITRAG Im Oktober hat die Amazonas-Synode stattgefunden, bei der Bischöfe und Experten ein Dokument erarbeitet haben, in dem es um die Menschen und die Kirche in Amazonien ging. Darauf hat Papst Franziskus reagiert – für viele Reformer enttäuschend. Klaus Honermann, Pastor der Schermbecker Ludgerusgemeinde, nimmt dazu Stellung. Er war selbst in Südamerika tätig.

 Klaus Honermann

Klaus Honermann

Foto: Helmut Scheffler

Pfarrer Klaus Honermann ist kein Mann, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Er positioniert sich immer zu kritischen Fragen der Zeit. Ende Juni will er die Aufgabe als Leitender Pfarrer in Schermbeck abgeben und nach Xanten ziehen – dass er nun über die Amazonas-Synode schreibt und dabei den Papst verteidigt, ist ihm ein Anliegen. Er selbst war Pfarrer in Brasilien.

Bevor ich auf den kritischen Punkt eingehe, nämlich was der Papst zu der Weihe von verheirateten Männern und eventuell auch der Weihe von Frauen für das Priesteramt mitteilt, möchte ich etwas zu dem Gesamtinhalt sagen, der angesichts des „heißen Themas“ oft nicht wahrgenommen wird: Es geht um mehr als den Pflichtzölibat. Papst Franziskus übernimmt die überaus größten Teile des Schlussdokuments der Synode. Er spricht von einem „Hilfeschrei Amazoniens an den Schöpfer“. Er geißelt mit klaren Worten den Raubbau und die schamlose Ausbeutung dieser für die Weltgemeinschaft so entscheidenden Region. Entwurzelung, Abwanderung in die großen Städte mit noch größerer Verelendung, Zerrüttung der Familien sind tiefgreifende Verletzungen des Allgemeinwohls. Die Ursache: Korruption, bei der Menschen sich nur um die eigene Bereicherung kümmern.

Brasilianische und internationale Unternehmen und Akteure sind da beteiligt. Illegale Abholzung, Goldgewinnung, industrielle Agrarunternehmen sind einige der Ausdrucksformen. Der Papst spricht von todbringendem Kapitalismus und spricht dem brasilianischen Präsidenten  Bolsonaro damit ein moralisches Urteil. Er spricht von zorniger Empörung über solch menschenverachtende Ausbeutung.

Entgegen den „Konservativen“ in der Kirche befürwortet er ausdrücklich die Aufnahme  indigener Ausdrucksformen (also der Urbevölkerung) in die Liturgie und das Leben der Kirche – also eine Inkulturation des Evangeliums. Das Dokument „Liebes Amazonien“  ist eine Abkehr vom Euro-Zentrismus, in dem griechisch-römisches Denken für das Denken in der Kirche allein  maßgeblich war.

Und wie ist es nun mit der Öffnung des Pflichtzölibats und der Zulassung von Frauen zum Weiheamt – Themen, welche auch beim „Synodalen Weg“ der deutschen Kirche anstehen? Viele hatten sich da ein positives Signal vom Papst erhofft und erwartet als Zeichen eines Neuaufbruchs der Kirche. Und bei anderen war vehementer Widerstand gegen eine mögliche Öffnung mehr als laut geworden.

Vor 25 Jahren war ich als Priester in Brasilien tätig – in einem Gebiet, das längst nicht so weitläufig und schwer erreichbar ist wie Amazonien. Schon damals und in einem Gebiet, das noch relativ zugänglich ist, haben viele Menschen höchstens einmal im Jahr die Eucharistie erlebt. Freikirchliche Sekten haben zunehmend an Einfluss gewonnen durch Prediger, welche nur einen Crashkurs absolviert hatten mit wenigen vereinfachten Botschaften. Diese Tendenz hat zugenommen.

Sollte der Papst diese Not sakramentaler Erfahrung für die Menschen in Amazonien nicht sehen? Ganz gewiss. Er ist Lateinamerikaner: Er kennt die Situation. Doch warum lässt er nicht einmal für Amazonien die erwähnten Ausnahmebestimmungen zu?

Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Öffnung der Zulassungsbestimmung für das Priesteramt nur auf Amazonien beschränken würde und nicht über kurz oder lang sich insgesamt in der Kirche ausbreitet. Darauf hatten ja nicht wenige gehofft. Ebenso hatten andere Teile der Weltkirche und gerade auch im Vatikan massiv dagegen ihren Einfluss geltend gemacht.

Ich selbst halte die Weihe verheirateter Priester für mehr als denkbar. Denn es gibt sie schon in der katholischen Kirche. Auch wenn es Spekulation ist – und da der Papst über seine Beweggründe nichts verlautet – können wir nur Vermutungen anstellen: Eine Spaltung der Kirche, welche in einer so wichtigen Entscheidung zu befürchten ist, ist ein sehr hohes Risiko. Ein Risiko, das der Papst nicht eingehen kann.  Zudem: Der Stil des Papstes ist es nicht, von sich aus, von oben herab, Erlasse zu erteilen. Da er synodale Prozesse will (und „synodal“ heißt: auf einen gemeinsamen Weg bringen), kommt es ihm darauf an, möglichst viele in einen  Denk- und Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Und dieser Prozess ist nicht abgeschlossen. Es ist nicht das letzte Wort dazu gesprochen. Nicht wie früher „Roma locuta – causa finita“ („Rom hat gesprochen – und damit ist die Angelegenheit für allemal geklärt“).

Papst Franziskus schlägt keine Türen zu. Er hat nicht gesagt: Das ist jetzt ein für alle Mal geklärt. Er verweist ausdrücklich auf das Schlussdokument der Amazonas-Synode, das sich Reformen nicht verschlossen hat. Er hat die Leitung von Gemeinden durch sogenannte Laien  ausdrücklich gut geheißen. Das wäre früher noch nicht denkbar gewesen.

Für viele von uns ist es zu wenig und eine große Enttäuschung. Vielleicht müssen wir die Geduld aufbringen, mit Gespräch und Gebeten, mit Argumentation und Vertrauen die Entwicklung weiter zu begleiten. Wenn der Papst von Gebet für Berufungen – etwa Missionare für Amazonien spricht, dann ist das von ihm gewiss nicht als Vertröstung gemeint.

(RP)
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