Ölpellets können Grundwasser verseuchen Grüne und Bürgerforum wittern Skandal bei Gutachten für den Mühlenberg

Schermbeck · Das Gahlener Bürgerforum und die Grünen attackieren die Kreisverwaltung, weil sie der Firma Nottenkämper, und somit dem Verursacher der Umweltsünde, die Suche nach Gutachtern überlasst. Auch der Landrat steht in der Kritik. Das steckt hinter den Vorwürfen.

 Mit dem Kuschelkurs zwischen der Kreisverwaltung und der Firma Nottenkämper sind das Gahlener Bürgerforum und die Kreis-Grünen überhaupt nicht einverstanden. Unterstützt werden sie vom Landtagsabgeordneten Norwich Rüße (4.v.r.) und vom Bundestagskandidaten Hans-Peter Weiß (3.v.l.).

Mit dem Kuschelkurs zwischen der Kreisverwaltung und der Firma Nottenkämper sind das Gahlener Bürgerforum und die Kreis-Grünen überhaupt nicht einverstanden. Unterstützt werden sie vom Landtagsabgeordneten Norwich Rüße (4.v.r.) und vom Bundestagskandidaten Hans-Peter Weiß (3.v.l.).

Foto: Helmut Scheffler

Zwischen 2010 und 2013 kam es bekanntlich zu einer illegalen Einlagerung von Ölpellets in der Verfüllung der Tonabgrabung Mühlenberg, die dadurch zu einer Deponie der höchsten Klasse umfunktioniert wurde. Während die Gerichte sich seit Jahren vergeblich bemühen, die Umweltsünder zu bestrafen, drohen die illegal eingelagerten Ölpellets das Grundwasser zu verseuchen.

Im Zuge der Prüfung der ausgehenden Gefahren wurde in einem vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) beauftragten und im November 2020 vorgelegten Abschlussbericht die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung und Vorbereitung von Sanierungsmaßnahmen festgestellt. Damit die notwendigen Maßnahmen korrekt und in einem bestimmten zeitlichen Rahmen erledigt werden können, hat der Kreis Wesel zusammen mit dem Betreiber der ehemaligen Abgrabung und jetzigen Deponie, der Firma Nottenkämper, den öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 1. September 2016 erweitert und eine neue Vereinbarung im Juli 2021 vorgelegt.

Die Kreis-Grünen und das Gahlener Bürgerforum (GBF) kritisieren diese Vereinbarung, an der die Politiker des Kreises nicht beteiligt wurden. Nach Auffassung der Grünen hätte überhaupt kein Vertrag geschlossen werden müssen. „Der Kreis Wesel hätte auch mit seinem Ordnungsrecht weitere Untersuchungen vergeben können“, sind sie überzeugt. Stattdessen gäbe der Kreis das Heft des Handelns aus der Hand. Der Vertrag besteche durch einseitige Vorteile für die Firma Nottenkämper, also für den Verursacher, und sei deshalb mehr als schlecht für die betroffenen Menschen sowie für Umwelt und Natur.

Um das Skandalöse der Vereinbarung öffentlich zu machen, trafen sich grüne Politiker und Mitglieder der GBF am unmittelbaren Rand der Mühlenberg-Deponie. Als umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion vertrat Norwich Rüße die Auffassung, dass Ölpellets zu keinem Zeitpunkt als Produkt hätten bewertet werden dürfen, sondern lediglich als Abfall, der aber niemals in der Deponie Mühlenberg hätte landen dürfen.

Die Aufgabe, öffentlich zu machen, dass der Kreis Wesel Gutachter zulässt, die von der Firma Nottenkämper finanziert werden, übernahm Ulrike Trick, die stellvertretende Sprecherin der Kreistagsfraktion. Die Firma Ahu, deren Gutachten schon frühzeitig beanstandet wurde, lässt durch ihren Mitarbeiter Ulrich Lieser die anstehenden Untersuchungsmaßnahmen durchführen. Für die erforderliche Untersuchung der Randabdichtung, die bereits am 11. Januar 2021 begonnen hat, beauftragte die Firma Nottenkämper den Gutachter Dr. Kerth.

Die Rollenverteilung bei den Gutachten und anstehenden Kontrollmaßnamen kann auch das Gahlener Bürgerforum nicht so richtig nachvollziehen. „Ist es ein Zeichen von Transparenz beziehungsweise Neutralität, wenn die Firma Ahu, die unter anderem anscheinend die nicht zurückgebaute Zwischenabdichtung übersehen, zumindest aber diesen möglichen Umstand nicht in ihrem Gutachten erwähnt hat, jetzt für Nottenkämper weiter Untersuchungen durchführt?“, fragt die Gruppe den Kreis Weseler Landrat Ingo Brohl in einem Schreiben.

GBF-Sprecher Stefan Steinkühler verweist auch auf die Firmen Asmus und Prabucki, die zum Team der Untersuchungen gehören, obwohl sie das erste Gutachten angefertigt hatten, das, so Steinkühler, „selbst der Kreis Wesel als ungenügend angesehen und deswegen auch unter Einbindung der Oberbehörden Ahu als Zweitgutachter ins Spiel gebracht hatte.“

Enttäuscht ist das Gahlener Bürgerforum vom amtierenden Landrat Ingo Brohl. Dem hatte das GBF vor der Landratswahl des Jahres 2020 die Chance gegeben, während einer Rundfahrt durch Gahlen öffentliche Statements zur künftigen Arbeit der Kreisverwaltung in Sachen Ölpellets im Mühlenberg abzugeben. „Ich werde das absolut transparent machen und mir die bestehenden Akten durchsehen“, versprach Brohl wenige Tage vor seiner Wahl zum Landrat im September 2010 ein paar Steinwürfe vom Mühlenberg entfernt. Die bislang fehlende Transparenz im Kreishaus sei ein Führungsproblem gewesen. „Ich kenne nur eine offene Krisenbewältigung, sonst schadet es dem Amt“, war Brohl vor einem Jahr überzeugt und wiederholte mehrmals eine höchstmögliche Offenheit der Kreisverwaltung. „Weil wir damit das Haus schützen“, erklärte Brohl damals.

„Wir würden für Herrn Brohl nicht noch einmal Wahlkampf leisten“, distanziert sich Steinkühler nun deutlich von der Kehrtwende des Landrats. „Man muss von einer Verwaltung schon erwarten können, dass sie sorgfältig arbeitet und sich distanziert verhält, damit das Vertrauen der Bevölkerung wieder hergestellt wird“, empfiehlt das Landtagsmitglied Norwich Rüße. Für sich hat er als Konsequenz beschlossen, im Umweltausschuss des Landes NRW und im Rahmen von kleinen Anfragen regelmäßig an den Ölpellet-Skandal im Gahlener Heisterkamp zu erinnern.

Wie Norwich Rüße ist auch der Grünen-Bundestagskandidat Hans-Peter Weiß davon überzeugt, dass das System der Kontrolle gegen die Firma Nottenkämper verändert werden muss. Nur so gerate eine Verwaltung nicht unter die Räder eines Wirtschaftsbetriebes.

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