Sammlerleidenschaft Simon Quernhorsts schräge Wesel-Funde

Wesel · Seine Heimatstadt hat es ihm angetan. Jahrelang hat Simon Quernhorst alles an Medien gesammelt, in dem Wesel irgendwie vorkommt. Mit Erkenntnissen aus seinen jüngsten Errungenschaften zieht er jetzt einen Schlussstrich.

Bücher, CDs, Filme, Spiele: Wesel-Sammler Simon Quernhorst präsentiert hier seine jüngsten Fundstücke.

Bücher, CDs, Filme, Spiele: Wesel-Sammler Simon Quernhorst präsentiert hier seine jüngsten Fundstücke.

Foto: Fritz Schubert

Was hat der geistige Vater der drei Musketiere und des Grafen von Monte Christo mit dem Niederrhein zu tun? In seinem ebenfalls erfolgreichen Roman „Die schwarze Tulpe“ (1850) nennt er in einem Atemzug „Rees, Orsay, Vesel und Rheinberg“. Trotz eigenwilliger Schreibweise sind damit gleich vier Orte aufgeführt. Man darf sich fragen, ob Alexandre Dumas selbst es war, der den Quai d’Orsay in Paris im Hinterkopf hatte, ob ein Lektor die deutsche Ausgabe verschlimmbesserte oder das hierzulande mundartliche Orsau Pate stand. Egal. Mit Rees und Rheinberg wird klar, um welches Gebiet es geht und dass mit Vesel Wesel (Vesalia hospitalis) gemeint ist. Gefunden hat die Stelle natürlich Simon Quernhorst, spätestens seit der 775-Jahrfeier der Stadt 2016 durch die Aktion „In medias WES“ bekannt. Bücher, CDs, Filme, Spiele: Worin auch immmer Wesel vorkommt, der 43-jährige Quernhorst hat es zusammengetragen. Der Dumas-Besteller gehört zu den jüngsten Errungenschaften. Insgesamt etwa 450 Teile sind es jetzt. Deutlich mehr standen bis zuletzt auf einer Internetseite von Wesel-Marketing. Diese zu pflegen, stets zu aktualisieren ist eine schier unmögliche Aufgabe. Auch Quernhorst ist weit von einem Anspruch auf Vollständigkeit. Allein die jahrhundertelange Hanse- und Militärgeschichte samt kompletter Zerstörung 1945 ist Nährboden für immer wieder neue Publikationen. Sammler Quernhorst ist zufrieden, will nun einen Schlussstrich ziehen und seine Aktivitäten zurückfahren.

Dennoch bleibt es spannend, sich mit den bisher gefundenen Dingen auseinanderzusetzen. Wer weiß schon, dass die Mutter von Heinrich Heine eine Freundin in Wesel hatte. Nachspüren kann man dem in dem Band „Heine in Paris 1831-1856“. Er enthält einen Brief, den Peira van Geldern 1795, vor ihrer Heirat mit Samson Heine, an Hendelche Israel in Wesel schrieb. Zu den Herausgebern des Bandes zählt übrigens Literaturwisschenschaftler Joseph Anton Kruse, der aus Dingden stammt.

Aufhorchen lässt auch „Der Schneemann“ von Jörg Fauser. Im Buch bewegt sich der flüchtende Held über mehrere Seiten vom Weseler Bahnhof über den Großen Markt bis nach Bislich und in die Niederlande. Im Film von 1984 allerdings, in dem Marius Müller-Westernhagen die Hauptrolle spielt, kommt diese Episode nicht vor.

Ähnlich ergeht es Wesel-Bezügen in „Wer fragt, gewinnt“, einer Biographie von Ursula Mörtens über Günther Jauch. So ist das Kapitel „Die Abstammung“ mit zahlreichen Informationen zur Weseler Familiengeschichte des TV-Moderators lediglich im E-Book, nicht aber in der gedruckten Ausgabe zu finden. So etwas lässt Simon Quernhorst dann nicht ruhen. Er hat den Verlag angeschrieben und auf das Manko hingewiesen. Der hat es zwar bestätigt, aber nicht weiter reagiert.

„Nelly wartet auf den Frieden“ ist das bekannteste Kinder- und Jugendbuch von Otti Pfeiffer. Wenngleich diese 1931 in Wesel geboren wurde, taucht darin „Obrighofen“ statt Obrighoven auf. Entweder war die Erinnerung der Autorin an den Ortsteil 1984 schon ein wenig verblasst oder es hat auch hier ein Lektor eingegriffen, sagt Quernhorst.

In der Kurzgeschichten-sammlung „Goodbye, Columbus“ des ebenso gefeierten wie umstrittenen US-amerikanischen Autors Philip Roth ist unter dem Titel „Verteidiger des Glaubens“ in einem Rückblick des Erzählers, den Roth als Kriegsteilnehmer angelegt hat, die Passage zu lesen: „...auf die Prahlereien zu verzichten, die ich als Jude mir wohl hätte erlauben können, als meine Stiefel über die Trümmer von Wesel, Münster und Braunschweig stapften.“

Krimi-Autor Jacques Berndorf lässt in „Eifel-Krieg“ einen Bösewicht aus der Neo-Nazi-Szene „von der Kante Wesel weg“ sein. Axel Fröhlich indes schildert die Geschichte eines Polizisten aus Wesel. Dieser wird psychisch krank, nachdem er sich einen Powerpoint-Anhang eines Vorgesetzten angesehen hat. Er macht auch Behandlungskosten für Spätfolgen geltend. Zu lesen ist dies in dem Band „75 Millionen Dollar für zu heißen Kaffee – Die verrücktesten Klagen der Welt“.

Von Hermann Schreiber gibt es in „Henri Nannen: Drei Leben“, einer Biographie über den legendären „Stern“-Gründer, auch eine Geschichte mit Wesel-Bezug. Kaufte Nannen doch einst eine auf der renommierten Schless-Werft gebaute Motoryacht mit abenteuerlichem Vorleben.

Kurz: Wesel ist überall. Und das ist auch gut so.

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