Wesel Riskanter Job am Hindukusch

Wesel · Oberstleutnant Guido Koberg, Kommandeur in der Schill-Kaserne, spricht von einer "neuen Qualität" des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Truppe sieht sich zunehmend gezielten militärischen Angriffen ausgesetzt.

Tote deutsche Soldaten in Afghanistan
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Foto: AP

Von Krieg will Oberstleutnant Guido Koberg, seit April Befehlshaber des Fernmeldebataillons 284 in der Weseler Schill-Kaserne, nicht sprechen. Aber der "bewaffnete Wiederaufbau" am Hindukusch habe inzwischen "eine neue Qualität" erreicht, sagte Koberg gestern im RP-Gespräch. Er sei daher "sehr froh" darüber, dass sein Team Anfang des Monats unversehrt aus dem Camp in Kandahar an den Niederrhein zurückgekehrt ist. Im August wird wieder ein 30 Soldaten starker Trupp von Wesel aus nach Afghanistan aufbrechen.

Die Bundeswehr habe längst auf die neue Lage reagiert und bereite die Truppe für den Auslandseinsatz in der umkämpften Region anders vor. Zunächst lag der Ausbildungsschwerpunkt darauf, gegen Selbstmord-Attentate gewappnet zu sein. "Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Abwehr von gezielten militärischen Angriffen der Taliban", denen deutsche Einheiten zunehmend ausgesetzt seien, so Oberstleutnant Koberg.

"Relativ geschützt" im Camp

Obwohl die Bundeswehr ihre Verluste vormehmlich im Norden des Landes bei Kundus zu beklagen hat, sei die Lage im Süden um Kandahar nicht weniger gefährlich. "Unser relativer Vorteil liegt nur darin, dass wir als Fernmelder unseren Auftrag innerhalb des Camps erfüllen können und uns somit in einem einigermaßen geschützen Raum aufhalten", so Koberg, der aktuell nur zwei Männer am Hindukusch hat.

Nachrichten, dass die Akzepanz für den fernen Einsatz der Truppe mit jedem Toten schwindet, erfüllt den Kommandeur mit Sorge. Für die Soldaten könnte das, was der Bundespräsident neulich noch als "freundliches Desinteresse" bezeichnet habe, ein zunehmendes Problem werden, fürchtet der Kommandeur. "Grundsätzlich wird es für Soldaten noch schwieriger, wenn die Bevölkerung ihren gefährlichen Einsatz zunehmend kritisch beurteilt", so Koberg. "Wir sind verlängerter Arm der Politik."

Für seine Truppe sieht der Weseler Kommandeur den Rückhalt vor Ort weiter gesichert. "Am Standort habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Menschen honorieren, was wir in Afghanistan leisten", so der der neue Chef in der Kaserne.

Leutnant Marina Pjetrog (29), Zugführerin der 4, Kompanie und gerade zurück vom Einsatz in Kandahar, hat über Akzeptanz "ehrlich noch nicht viel nachgedacht". Sie wisse, auf welche Gefahr sie sich bei der Bundeswehr eingelassen habe und gehe ihren gefährlichen Job möglichst professionell an. "Wenn man unten ist, macht man seine Arbeit und hat nicht ständig vor Augen, dass ganz tragische Dinge um einen herum passieren", schildert sie ihre Erfahrung. Aber natürlich sei sie "heilfroh, dass wir alle wieder gesund nach Hause zurück gekommen sind".

Und bei aller Professionalität räumt die junge Offizierin Gefühle ein. Als gestern Morgen beim Antreten eine Gedenkminute für die gefallenen drei Kameraden befohlen worden sei, "ist schon ein Film in meinem Kopf abgelaufen und ein seltsam beunruhigendes Grummeln hat mich beschlichen". Da war Afghanistan plötzlich wieder ganz nah.

(RP)
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