Wesel Rhythmische Körpersprache

Wesel · „Eckig - rund“ heißt das Tanzprojekt an der Grundschule Am Brüner-Tor-Platz. Performance-Künstlerin Petra Rühl übt mit den Erst- und Zweitklässlern expressive Tänze ein. „Erdige“ Jungs stehen schwebenden Mädels in nichts nach.

Performance will gelernt sein. Mit weitem Blick über alle Köpfe hinweg steht Markus (7) hoch erhobenen Hauptes in gespannter Körperhaltung auf der Aulabühne der Grundschule am Brüner Tor und tanzt selbst erfundene Figuren nach den Klängen der Holzblocktrommel. Wären Arme und Beine nicht so exakt durchgestreckt, sähe er aus wie ein Schlangenmensch, so fantasievoll verdreht er die Glieder. Am sicheren Stand wird noch gearbeitet. Markus traut sich, wie selbstverständlich vorzutanzen.

„Als vor zehn Wochen unser Tanzprojekt begann, versteckte er sich noch unter der Bühne. Jetzt ist er ganz frei“, erklärt Petra Rühl, Performancekünstlerin und Tanzlehrerin. Zur speziell für Kinder entwickelten Musik „Heiße Füße, Zaubergrüße“ aus dem Ghettobluster bewegen sich alle 19 Kinder leichtfüßig, fast geräuschlos. Disziplin ist nötig: eine Veränderung im musikalischen Motiv heißt, es geht rhythmisch gebunden weiter. Ein andermal dürfen allerhand Klänge erfunden werden, wie Klopfen, Stampfen, Reiben.

Das Tanzprojekt mit dem Namen „eckig-rund“ drückt Anna (7) umfassend aus: wie ein Roboter beginnt sie mit ruckartigen Bewegungen und geht gekonnt über zu weichem Gleiten mit ausgebreiteten Armen. Petra Rühl entführt seit den Sommerferien zwei Stunden wöchentlich alle Erst-und Zweitklässler, rund die Hälfte aller 170 Schüler, gruppenweise in die Welt des expressiven Tanzes. Dazu gehören aber auch tradierte Volkstänze wie der mittelalterliche „Siebensprung“. Auffallend wie sehr sich auch die Jungs engagieren. Es sieht anders aus als bei den Mädchen, die sich sehr körperbewusst bewegen mit einem Touch von Weiblichkeit und Kunstanspruch. „Bei den Jungs ist es eher ein erdiges Tanzen“, sagt Rühl. „Da gibt‘s später die kraftvollen Tänze wie den Breakdance. Irgendwann will ich aber die Mädchen auf den Boden holen und die Jungs in die Luft.“

Eine exotische Begabung hat offenbar Skadi (7): beim Tanz „Afrika“ wandern ihre Hände ausdrucksvoll und rhythmisch exakt gewinkelt vom Kopf zur Hüfte: „In Frankreich hab’ ich mal ein Buch gesehen mit afrikanischen Tanzfiguren“, sagt sie. Viel Inspiration also und kein Ringelpietz mit Anfassen.

„Hier kann ich meine Eindrücke des Lebens darstellen, Gefühle wie Wut und Freude“, so Rühl. Gleichzeitig wurde die soziale Kompetenz gestärkt, indem sofort Kritik untereinander abgebaut wurde. „Es gibt kein gut und falsch. Fehler sind oft das Spannendste. Da kriegen wir die Ideen her.“ Ein psychologischer Nebeneffekt ist, dass Barrieren abgebaut werden; Endziel bleibt aber die Ästhetik. Eine Künstlerin an der Schule zu haben, freut besonders Schulleiterin Sibylle Handel, mit einem Künstler verheiratet, der den Kontakt zu Rühl in Bielefeld herstellte: „Tanzen stand bei uns schon immer im Mittelpunkt. Kürzlich haben wir mit der Kulturfabrik das Musical „Stadt, Land, Rhein“ einstudiert.“ Auch diesmal wird es am Ende eine Präsentation geben.

(RP)
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