Wesel Rathaus-Rest kommt ans Licht

Wesel · Was von den Trümmern übrigblieb: Die Bürgerinitiative soll Glocke und Figuren-Torso als Dauerleihgaben von der Stadt Wesel bekommen. Im Gegenzug sollen sie restauriert werden.

Bei einem Totalverlust bekommen Erinnerungsstücke besondere Bedeutung. Eine Bronzeglocke und der Torso einer Sandstein-Figur sind das Letzte, was vom Historischen Rathaus übrigblieb. Die im Museumsmagazin eingelagerten Stücke kommen jetzt ans Licht. Die Stadt will sie als Leihgaben der Bürgerinitiative Historisches Rathaus zur Verfügung stellen. Restaurierungen sollen im Gegenzug stattfinden. Mehr noch. Die Glocke soll wieder über dem Großen Markt hängen.

Ersatzstücke aus 19. Jahrhundert

Für die Sitzung des Kulturausschusses am Mittwoch, 28. Mai, hat Jürgen Becks das Thema aufbereitet. Gestern stiegen der Mann vom Kulturamt und Mitarbeiter Holger Lübeck mit der RP ins Magazin und wuchteten die schweren Relikte hervor. Die Glocke macht einen prima Eindruck. Ein Stück Aufhängung und der Klöppel fehlen. Sonst nichts. Ob sie klingt, so Dombaumeister Prof. Dr. Wolfgang Deurer, müssen Experten später entscheiden. Der Mann, der gerade den Auftrag für die Architektenleistung zur Rekonstruktion der Rathaus-Fassade erhalten hat, freut sich zunächst, dass die Initiative die Stücke bekommen soll. Der Einbau der Glocke in den Turm stehe außer Frage, doch müsste dieser dann unverglaste Schall-Löcher bekommen.

Fotos des Rathauses vor der Zerstörung zeigen jedoch verglaste Fenster. Für Deurer ein Hinweis, dass sie 1945 nicht dort hing, und die Sache daher forschungswürdig ist. Die Glocke stammt übrigens nicht aus dem späten Mittelalter, sondern ist ein Ersatz aus dem 19. Jahrhundert. Ihre Rettung aus den Schuttbergen nach dem Zweiten Weltkrieg hat etwas Mysteriöses. Anfang der 50er Jahre kam sie zurück in städtischen Besitz. Laut Jürgen Becks gibt es in Akten keinen Hinweis, wer die Glocke gesichert und wer sie zurückgegeben hat. Anders sieht es mit dem Sandstein-Torso aus. Es handelt sich um einen kopf-, arm- und beinlosen Johann Sigismund von Brandenburg. Die Skulptur wurde Ende der 80er Jahre bei den Grabungsarbeiten für die Tiefgarage unterm Markt entdeckt. Auch Sigismund ist Teil des Austauschprogramms aus dem 19. Jahrhundert. Da kamen weltliche Herrscher anstelle der Heiligen auf die Podeste zwischen den Fenstern im ersten Stock. Lediglich Willibrord durfte als Zentralfigur weiterhin auf "seinen" Dom schauen.

Die Zukunft Sigismunds ist unklar. Laut Deurer ist eine Präsentation im Inneren denkbar. Die Initiative denke zudem daran, ihn wieder auf seine alte Stelle ganz rechts zu setzen. Deurer freut sich zwar auf die Debatte, wie das Figurenprogramm aussehen soll, doch liegt sein Schwerpunkt jetzt auf Planung. In drei Monaten will er ein komplettes Fenster mit allen Formen als 1:1.Gipsmodell vorlegen.

(RP)
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