Niederrhein Priester werden ohne Abitur

Niederrhein · Pfarrer Marc Heilenkötter ist das Gesicht des Bistums Münster für die Kampagne "Ruf! Mitten im Beruf".

 Mit diesem Plakat macht das Bistum auf die Kampagne aufmerksam.

Mit diesem Plakat macht das Bistum auf die Kampagne aufmerksam.

Foto: Bistum

Den Infusionsbeutel in der einen, das grüne OP-Tuch in der anderen Hand. "Und lächeln, lächeln - bis die Wangen schmerzten." Pfarrer Marc Heilenkötter erinnert sich mit einem Schmunzeln an das Fotoshooting im vergangenen November. Der 41-Jährige, der seit Oktober die Pfarrei St. Lucia in Harsewinkel leitet, ist das Gesicht des Bistums Münster für die Kampagne "Ruf! Mitten im Beruf" des Studienhauses St. Lambert. Priester werden ohne Abitur, diese Möglichkeit bietet die Einrichtung im rheinland-pfälzischen Lantershofen, 40 Priesteramtskandidaten aus deutschen Bistümern und Ordensgemeinschaften studieren dort Theologie. Die Möglichkeit des sogenannten dritten Bildungsweges gibt es seit rund 45 Jahren in Deutschland.

"Wir haben alle einen Beruf und sind durch das 'Abitur des Lebens' gegangen", sagt Heilenkötter mit ein bisschen Stolz. Auch er hat den Ruf, Priester zu werden, in seinem früheren Beruf verspürt. Mit 21 Jahren hatte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen, arbeitete danach im OP. "Ich war zwar noch sehr jung, habe aber damals schon gemerkt: Da ist noch mehr." Seit der Kindheit war er in seiner Heimatgemeinde in Buldern aktiv, als Messdiener, im Pfarrgemeinderat und als Lektor. Doch fürs Theologiestudium fehlte ihm das Abitur. "Das war mein Schutzschild. Ich habe kein Abi, also kann ich nicht Priester werden." Heilenkötter schob seine Berufung auf die lange Bank. Gespräche mit dem Heimatpfarrer folgten, er öffnete sich Freunden und der Familie. Fünf Jahre dauerte es, bis Heilenkötter in St. Lambert mit seiner Ausbildung zum Priester begann und Theologie studierte - ohne Abitur.

Mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen, geblieben sind "echte Freundschaften", wie Heilenkötter sie nennt. Vier Jahre hat er in St. Lambert studiert, lernte Menschen kennen, die zuvor in ganz unterschiedlichen Berufen gearbeitet haben. "Ob Bänker, Tischler oder Pfleger - dort kommen Männer zusammen, die bereits einiges an Lebenserfahrung mitbringen", fasst er zusammen. Der Pfarrer weiß, dass er dem Studienhaus viel zu verdanken hat - nicht zuletzt den Einblick, "wie die Kirche deutschlandweit tickt". Darum zögerte Heilenkötter nicht lange, als er gebeten wurde, bei der Kampagne mitzumachen: "Ich sehe das als Möglichkeit, etwas zurückzugeben."

Vor der Kamera zu stehen, sich selbst auf Plakaten und Flyern zu sehen, das ist für den 41-Jährigen eine neue Erfahrung, an die er sich noch gewöhnen muss. Doch im Vordergrund steht der Gedanke, damit die Kampagne "Ruf! Mitten im Beruf" zu unterstützen, die auf Eigeninitiative der derzeitigen Studierenden entstanden ist. "Ich freue mich, wenn mehr Menschen erfahren, dass man auch ohne Abitur in St. Lambert Priester werden kann", sagt Heilenkötter.

In den vergangenen Tagen haben alle Pfarreien in Deutschland Werbematerialen erhalten, mit denen sie auf die Kampagne aufmerksam machen können. Auch in der St.-Lucia-Kirche sticht das orangefarbene Plakat am Eingang ins Auge - allerdings ohne Heilenkötters Gesicht. "Dafür habe ich dann doch lieber das Gesicht meines Mitbruders aus dem Bistum Würzburg genommen", sagt der Pfarrer mit einem Schmunzeln.

(RP)
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