Streit um Organisation der Polizei im Kreis Wesel Polizeigewerkschaften attackieren Landrat

Kreis wesel · Die Vorwürfe sind deutlich: Nach Darstellung mehrerer Gewerkschaftsvertreter der Polizei missachtet der Landrat Ansgar Müller Vorgaben des NRW-Innenministeriums. Es geht im Kern um einen Streit um die Führung der Polizei.

 Mit einer Aussage zu Demokratie und Polizei hat sich Landrat Ansgar Müller (SPD) den Ärger der Polizeigewerkschaften zugezogen.

Mit einer Aussage zu Demokratie und Polizei hat sich Landrat Ansgar Müller (SPD) den Ärger der Polizeigewerkschaften zugezogen.

Foto: Malz/Malz Ekkehart

Die Polizei-Gewerkschaften im Kreis Wesel werfen dem Landrat Ansgar Müller (SPD) vor, Weisungen des Innenministeriums nicht umzusetzen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) habe angeordnet, dass Müller die Struktur in seiner Kreispolizeibehörde ändere. Dem würde sich Müller widersetzen, sagt André Mautz aus Wesel, Vorsitzender der  Deutschen Polizeigewerkschaft. „Herr Dr. Müller stellt solche Weisungen gelegentlich zu seiner persönlichen Disposition“, heißt es in einer Mitteilung, die Mautz mit Kollegen anderer Polizeigewerkschaften verfasst hat. Darin wird auch die Frage gestellt, ob der Landrat die Leitung von Kreispolizei mit 800 und Kreisverwaltung mit 1200 Mitarbeitern im Griff haben könne. „In der Tat muss man sich die Frage stellen, wie viel Zeit einem Landrat neben seinen kommunalen und kommunalpolitischen Aufgaben noch für eine fast 800 Mann bzw. Frau starke Polizeibehörde bleibt.“ Die Gewerkschaften glauben, dass echte Polizisten als Chefs einer Polizei die bessere personelle Besetzung wären.

Ursprung der Gewerkschaftsmitteilung ist eine Aussage des Landrats zur Struktur der Polizeibehörden im Kontext der Vorfälle auf einem Campingplatz im westfälischen Lügde; dort sollen Kinder missbraucht worden sein. Die Polizei hat in den Ermittlungen im Nachgang offenbar Fehler gemacht. Auf diese Fehler und etwaige Mängel in der Struktur der Polizei angesprochen, hatte Landrat Müller  bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wesel generell das Leitungsmodell bei der Polizei verteidigt. Die zivile Führung bei der Polizei mit einem demokratisch gewählten Landrat sei vernünftig, so Müller. Er hatte von der Polizei auch als „bewaffneter Macht im Staat“ gesprochen. Dies, so die Gewerkschaftler, „impliziert ein latentes Misstrauen über das dienstliche Handeln der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Kreis Wesel und ist ein Affront gegen alle Polizistinnen und Polizisten, insbesondere gegen die Führungskräfte.“ Die Polizisten im Kreis Wesel seien hochverärgert über den Landrat. „Wir sind ja nicht mehr im Jahr 1933“, kritisiert André Mautz.

Konkret geht es bei der Anweisung des Ministeriums um die Frage der Organisation in der Kreispolizei. Laut Mautz ist das Organigramm bei der Polizei so aufgebaut, dass an der Spitze der Landrat steht, der ihm folgende Rüdiger Kunst als „Abteilungsleiter Polizei“ eigentlich den vier Direktionen übergeordnet sei, aber rein faktisch nicht als Vorgesetzter der Direktion Zentrale Aufgaben agiere. Dieser Direktion Zentrale Aufgaben wiederum steht Sascha Kaiser vor; in ihr sind Landesbedienstete und Kreisbedienstete tätig, arbeiten aber an Polizeiaufgaben. In Gesprächen habe die Gewerkschaft Müller mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ein Abteilungsleiter Polizei weisungsbefugt gegenüber allen vier Direktionen sein müsse. Faktisch würde der Landrat diese Anweisung aber ignorieren.

Es ist ein Novum, dass die Gewerkschaften einen Aufruf gemeinsam verabschieden. Unterzeichner sind neben Polizeihauptkommissar André Mautz aus Wesel für die Deutsche Polizeigewerkschaft auch Polizeihauptkommissar Nils Krüger für die Kreisgruppe Wesel der Gewerkschaft der Polizei und Kriminalhauptkommissar Michael Verhülsdonk für den Bund Deutscher Kriminalbeamter im Kreis Wesel.

Der Landrat, von unserer Redaktion mit den Vorwürfen konfrontiert, verteidigte die Organisation seiner Behörde. Die Struktur der Kreispolizeibehörde Wesel mit ihren „kurzen und schnellen Entscheidungswegen“ habe sich seit vielen Jahren bewährt. Es sei falsch, den Fall Lügde zum Anlass zu nehmen, diese „hier und jetzt“ infrage zu stellen. Müller verweist auf Minister Herbert Reul, der im Fall Lügde keine Verantwortung des dortigen Landrats sehe. „Die Aufklärung des Sachverhalts hat unbedingte Priorität und muss im Ergebnis dazu führen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen darf.“

Im Kreis Wesel ist die Personalstruktur so, dass der Landrat als oberster Chef der Polizeibehörde fungiert. Das ist vom NRW-Innenministerium so festgelegt. Die Kreis-Polizeigewerkschaften verweisen aber auch darauf, dass NRW bewusst und gewollt drei ehemalige Polizisten die Funktion eines Polizeipräsidenten für die größte Polizeibehörde in NRW übertragen bekommen haben; dies ist in den Städten Köln, Wuppertal und Essen der Fall. Landrat Müller spreche diesen Behördenleitern faktisch eine demokratische Kontrolle ab. Auch sei der Durchgriff des Innenministeriums NRW auf die Landräte als Behördenleiter von Polizeibehörden deutlich eingeschränkter als auf die Polizeipräsidenten, heißt es in der Mitteilung der Gewerkschaft.  Einen Polizeipräsidenten könne die Landesregierung von ihren Aufgaben von heute auf morgen entbinden. „Einen Landrat nicht, siehe Lügde“, kritisieren die Gewerkschaften.

(sep)
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