Hamminkeln Polizei befreit Jungen aus Keller

Hamminkeln · Menschen in einem Hamminkelner Dorf sind erschüttert: Dank aufmerksamer Nachbarn haben Polizei und Jugendamt einen Jungen (7) aus einem Kellerverlies befreit. Ein Zeuge: "Er lag unbekleidet auf einer Matratze."

Die Nachricht, dass die Polizei am Samstag einen im Keller seines Elternhauses eingesperrten Jungen (7) befreien und anschließend bei einer Pflegefamilie unterbringen konnte, hat viele Menschen in einem Hamminkelner Dorf erschüttert. In der Siedlung, in die die Familie des vernachlässigten, aber nach Angaben der Behörden "nicht sexuell missbrauchten" Jungen im Vorjahr gezogen war, ist das Erschrecken groß.

"Solche Geschichten passieren sonst nur in Großstädten, aber doch nicht hier bei uns", sagt eine Nachbarin, die die Familie des Grundschülers als "nett und hilfsbereit" bezeichnet. Seltsam sei nur gewesen, dass die Mutter und ihr neuer Mann mit den beiden kleinen Kindern oft im Garten gesessen und gespielt hätten, der Siebenjährige aber nie dabei gewesen sei. "Auf die Frage, wo er denn wäre, hat die Mutter geantwortet, dass ihr Sohn sehr schwierig sei und lieber in der Wohnung bleiben wolle."

Seit Wochen hatte das Jugendamt des Kreises die fünfköpfige Familie im Blick. Die Oma des Kindes und mehrere Nachbarn, darunter auch Albert G. (Name geändert), sollen der Behörde ihre Beobachtungen unabhängig voneinander mitgeteilt haben, wird berichtet.

Eltern machten Ausflug

"Weil uns die Eltern einmal gebeten hatten, nach den Kindern zu sehen, hat mich der aufgeweckte und freundliche Junge in sein nur notdürftig eingerichtetes Zimmer geführt", erzählt Albert G. "Während die Wohnung sonst normal eingerichtet war, war im Zimmer des Jungen der blanke Estrich zu sehen." Albert G., der im Gesundheitswesen beschäftigt ist, war es auch, der am Samstag einen Polizisten in Zivil und eine Mitarbeiterin des Jugendamtes nach einem eineinhalbstündigen Gespräch den Vorschlag gemacht hatte, nach dem Jungen zu schauen. Denn eine andere Nachbarin hatte beobachtet, wie Mutter und Stiefvater am Morgen zusammen mit beiden Kleinkindern zu einem Ausflug aufgebrochen waren. "Daraufhin hat meine Nachbarin Jugendamt und Polizei alarmiert. Deren Mitarbeiter habe ich dann angesprochen, als die das Haus der Familie in Augenschein genommen haben."

Mit Hilfe eines Schlüsseldienstes verschaffte sich die Polizei Zutritt ins Reihenhaus. Albert G., der die Beamten begleiten durfte, wie er sagt, führte sie in den Keller, wo sie den Jungen in einem verschlossenen Raum fanden — unbekleidet auf einer Matratze liegend. "Er hatte nichts zu essen und zu trinken, kein Spielzeug und musste seine Notdurft in dem Raum verrichten. Für das weinende Kind muss es eine Erlösung gewesen sein", sagt Albert G. Er ist froh, dass er und andere Nachbarn die Behörden frühzeitig auf das Schicksal des Jungen aufmerksam gemacht und nicht weggeschaut haben.

(RP)
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