Wesel Politik 2011 - Sieger und Verlierer

Wesel · Wesels politisches Jahr: Licht und Schatten bei Ratsfraktionen. Größter Erfolg: Stadt entwickelt sich – langsam. Größte Schwäche: Bürgerbeteiligung unerwünscht. Größter Schwindel: Die Ampel gibt es weiter. SPD führt, FDP und Grüne fallen ab. CDU ist zu zurückhaltend.

Wesels politisches Jahr: Licht und Schatten bei Ratsfraktionen. Größter Erfolg: Stadt entwickelt sich — langsam. Größte Schwäche: Bürgerbeteiligung unerwünscht. Größter Schwindel: Die Ampel gibt es weiter. SPD führt, FDP und Grüne fallen ab. CDU ist zu zurückhaltend.

Man kann es an einem ablesen, wie ernst Wesels Politik die Öffentlichkeit nimmt und in eigener Sache etwas mitteilt, was des Mitteilens wert ist. Denn alle Jahre wieder kommen die Chefs der Ratsfraktionen zur RP — die von SPD, CDU und FDP. Die Grünen bleiben weg und abgetaucht, wie sie es das ganze politische Jahr 2011 schon waren.

Die Linken als Neulinge im Rat machen Pause — ein Hinweis auf Desorientiertheiten und Anfängerfehler der kleinen neuen Truppe im Rat. Auch aus anderem Blickwinkel ist es interessant, die O-Töne der Führungskräfte zu notieren.

Die Rollen sind verteilt: Hier SPD-Chef Ludger Hovest, der stets die Führung in der Ampel betont und die "Wesel-Partei" propagiert. Dort der mitunter knurrige FDP-Fraktionschef Friedrich Eifert, der erst die Brocken im Ampel-Bündnis hinwirft, dennoch wie eh und je im Trio mitmischt und auf Erfolge verweist wie die Einführung des Grünflächenkatasters.

Dann CDU-Fraktionsvorsitzender Jürgen Linz, der — neu im Amt — den Christdemokraten einen seriösen Kurs der Zurückhaltung verpasst hat, was aber auch bedeutet, dass sie bei manchen Themen wenig auffallen (siehe "Kopf der Woche"). Schließlich die Grünen, deren Fraktionssprecher Thomas Koch gern behauptet, man wirke im Hintergrund. Nur was auf vermeintlichen Antrieb der Grünen geschieht, erkennt niemand.

Von Bürgernähe bei Entscheidungen, sonst beliebtes Grünen-Thema, ist nichts zu spüren. Eher von Ärger: Ratsmitglied Thomas Lemken ist aus der Fraktion ausgestiegen, die Parteiführung um Ex-Ratsmitglied Ulrich Gorris ist runderneuert. In der praktischen Politik wirkt sich das bisher nicht aus.

Im Gegenteil: Die von der RWE-kritischen Partei propagierte Fünf-Jahres-Laufzeit des neuen Weseler Stromkonzessionsvertrags juckt die RWE-freundliche Fraktion (noch) nicht. In der Verhandlungskommission kurz vor Weihnachten schwiegen die Grünen zum Knackpunkt Laufzeit.

Für Ludger Hovest ist die Grünen-Partei energiepolitisch nur eins: ideologisch. Der blanke Pragmatiker rechnet vor: "Ein paar hundert Mitarbeiter bei RWE, 1000 ehemalige in Wesel — daran können wir doch nicht die Axt anlegen." Wobei er in politischer Mathematik vor allem Wähler zählt. Beim Konzessionsvertrag kündigt er an: "Mit Grünen und FDP werden wir Wege aufzeigen, wie wir zu einem guten Vertrag für Wesel kommen." Der starke Mann der Weseler Politik weiß, dass er hier und anderswo den Takt vorgeben muss und angesichts kraftloser Bündnispartner — die FDP weniger, die Grünen mehr — auch muss. Von der CDU hält er gar nichts: "Wo findet die denn noch statt?"

Drei Säulen nennt Hovest bei der Positionsbestimmung aktueller SPD-Politik: Man sei das soziale Gewissen der Stadt und nehme den kleinen Mann mit — etwa, wenn man Hochbordsteine für Behinderte am Busstopp Mathenakreuz durchsetze. Säule zwei der Kommunalpolitik seien Wirtschaft und Arbeitsplätze. "Dazu gehört auch das Bekenntnis zu RWE und Hilfe für die Kiesindustrie", sagt Hovest.

Oder die Hafen-Gesellschaft. Hier brauche es einen Ankermieter für Großlogistik. Hovest kündigte an, dass die Sonsbecker Recycling-Firma KSR nun komme. Die wird sich aber nur in abgespeckter Form ansiedeln — und nach extrem langer Planungszeit. Säule drei ist für Hovest die Stadtentwicklung.

Großer Markt mit Rathausfassade, Fußgängerzone und Bahnhof (mit Caritas) nennt er hier als Pluspunkt — in der Tat viel beachtete, positive Entwicklungen. Mit Abstrichen, denn Fortschritte in der City hätte man mit mehr Tempo früher haben können, und der Bahnhofsvorplatz ist kein Schmuckstück. Nun will die SPD die Gestaltung des Pendlerparkplatzes am Bahnhof angehen.

Diese Erfolge der Stadtentwicklung reklamiert Eifert auch für die FDP. So ist es im Bündnis eben: Wenn sich alle alles auf die Fahnen schreiben, bleibt's am Ende bei der kampagnen- und öffentlichkeitsfähigen SPD hängen. Das Bündnis dient allein den Sozialdemokraten.

Daran kann auch der wacker arbeitende Eifert, der — anders als die Grünen — dafür sorgt, dass die FDP in Wesel wahrgenommen wird, nicht viel ändern. Er hat zudem den ernüchternden Trend der Bundespartei im Nacken. "Beim Ortsparteitag werden wir über die Ausrichtung der Partei debattieren. Jetzt müssen wir versuchen, die Menschen neu zu begeistern. Die FDP hat Substanz", sagt er.

Vielleicht kommt auch das Thema Aufrichtigkeit vor. Denn wie soll es der Wähler interpretieren, wenn sich die FDP aus dem Ampel-Bündnis löst — und es klammheimlich ohne politischen Zugewinn fortführt. Als Themen 2012 nennt Eifert die Häfen-Kooperation, die Südumgehung, Unterstützung der Kiesindustrie und die Betuwe-Linie.

Anders als Lautsprecher Hovest, der nicht davor zurückschreckt, die SPD markig als einzige "Wesel-Partei" zu propagieren, setzt Konkurrent Linz von der CDU auf gemäßigte Töne. Dass mit dem Grünflächenkataster — durchgezogen von Hovest mit den ewig ASG-skeptischen Grünen und auf Verlangen der FDP — ASG wieder verschreckt wurde, hält er für einen politischen Fehler des Bündnisses, der Anlass zu Befürchtungen gibt.

(RP)
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