Gedenken, erinnern, aufrütteln „In Wesel ist kein Platz für Rassismus“
Wesel · Zum Gedenken der Pogromnacht gibt es Veranstaltungen in der Engelkirche und im Bühnenhaus.
Auch 81 Jahre nach der Pogromnacht ist längst nicht alles gesagt. Weder auf der Welt, noch in Deutschland und schon gar nicht in Wesel. Das Gedenken der Geschehen vom 9. und 10. November 1938 bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Erinnerungsarbeit für die Stadt und den Jüdisch-Christlichen Freundeskreis. Das unterstrichen am Montag Bürgermeisterin Ulrike Westkamp und der Vereinsvorsitzende Wolfgang Jung bei der Vorstellung des Programms. Die traditionelle Veranstaltung bekommt mehr Raum. Wegen zunehmenden Interesses des Publikums wird sie am Samstag, 9. November, 19 Uhr, im Städtischen Bühnenhaus stattfinden und nicht wie zuletzt auf dessen Hinterbühne.
Vor dem Hintergrund des Attentats von Halle und weiterer Taten fanden Westkamp und Jung klare Worte: „In Wesel ist kein Platz für Rassismus und Antisemitismus.“ Jung ist der Stadt dafür dankbar. „Die Entwicklung macht uns Sorgen und bringt uns in die Positionen, uns deutlich zu verhalten“, sagte er.
Das Gedenken zur Pogromnacht, die auch in Wesel mit Verwüstungen, Zerstörungen, Plünderungen und dem – von der Feuerwehr kontrollierten – Brand der Synagoge den Auftakt der Judenverfolgung in der NS-Zeit markierte, wird diesmal übrigens schon am Freitag, 8. November, spirituell vorbereitet. Die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus veranstaltet mit dem Collegium vocale und Instrumentalisten eine geistliche Abendmusik in der Engelkirche. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden für das Hospiz sind willkommen. Ebenfalls frei ist der Eintritt anderntags ins Bühnenhaus. Hier wird das Ensemble Noisten jüdische Klezmer-Musik präsentieren. Positiv und lebensbejahend, wie Jung sagte. Der traditionelle Lichtergang zum jüdischen Mahnmal am Willibrordi-Dom beschließt den Abend.
Bürgermeisterin Westkamp erinnerte an die Weseler Situation: Gab es 1933 noch 160 Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt, so war die Gemeinde 1943 komplett ausgelöscht. Wer nicht hatte fliehen können, wurde deportiert und zumeist ermordet.
Ernst Kolman (93), heute Weseler Ehrenbürger, ist der letzte Lebende. Er hatte als Kind über Köln nach England in Sicherheit gebracht werden können, wo er heute noch lebt. Wie viele andere Weseler Juden kamen Kolmans Eltern Frieda und Martin Kohlmann in Riga um. Seine Schwester Margrit überlebte das dortige KZ, starb 2016 in den USA.
Riga spielt für Wesel auch in der Erinnerungsarbeit eine Rolle. Die Stadt ist bekanntlich in diesem Jahr dem Riga-Komitee beigetreten, Weseler Schüler haben dort Grab- und Gedenkstellen gepflegt. Junge Leute sind es auch, die jährlich zum 27. Januar das Gedenken der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Dom gestalten.
Eine darüber hinaus gepflegte Aktion ist das Verlegen von Stolpersteinen in der Stadt. Am Donnertag, 14. November, werden weitere elf davon verlegt. Dann sind es insgesamt 113 Stolpersteine, die an ehemalige Weseler Juden erinnern.