Himmel & Erde Eine Anekdote und die Lehren für heute

Es war im Rahmen einer etwas launigen Kirchenrechtsvorlesung. Der Professor versuchte, den Rang römischer Instruktionen zu erläutern, in dem er von einem in den frühen 60er Jahren erschienenen Lehrschreiben zum Gebrauch der lateinischen Sprache berichtete. Dieses Lehrschreiben schärfte überdeutlich ein, es sei gefährlich, theologische Vorlesungen landessprachlich zu unterrichten.

 Stefan Sühling

Stefan Sühling

Foto: Fritz Schubert

Die einzige verlässliche Sprache sei das Lateinische, weshalb diese weltweit verpflichtend in der theologischen Lehre zu „verwenden“ sei.

Unser Professor führte weiter aus, dass dieses Lehrschreiben (das im Übrigen auch heute noch nicht in einer offiziellen Übersetzung ins Deutsche vorliegt) weltweit für Belustigung gesorgt hat, waren Vorlesungen in der jeweiligen Landessprache doch schon länger üblich. Das römische Lehrschreiben wurde als aus der Zeit gefallen und deswegen unrelevant gelesen. An dem Ganzen könne man ablesen, so der Professor, dass die vatikanischen Behörden wach wahrnehmen, wenn sich ohne ihr Zutun etwas entwickelt hat – ohne jede Chance zur „Rückabwicklung“.

Diese Anekdote aus dem Studium fiel mir bei der Lektüre der jüngsten römischen Instruktion zur Leitung und Pastoral in Pfarreien ein. Mir drängt sich der Eindruck auf, auch hier haben die Autoren in Rom mit Schreck wahrgenommen, dass sich die Wirklichkeit des weltweit vor Ort in den Gemeinden gelebten Glaubens weiterentwickelt hat. Insbesondere durch den dramatischen Priester- und SeelsorgerInnenmangel, auch bei uns in Deutschland, ist die Suche nach neuen Konzepten in der Frage der Leitung von Pfarreien und Gemeinden sowie bei der Frage nach gleichen „Zugangsrechten“ für Frauen und Männer auf der Tagesordnung. Das Einschärfen eines früher gelebten Bildes der kleinen Pfarrgemeinde, in der ein Pfarrer seinen seelsorglichen Dienst tut, ist sicher eine schöne Erinnerung – ohne jede Chance auf Umsetzung.

Bei der eingangs geschilderten Anekdote kann man rückblickend mit viel gutem Deutungswillen die römische Einschärfung des Lateinischen als paradoxe Art der Anerkennung der Landesprache für die theologischen Vorlesungen verstehen. Ich hoffe, dass wir uns in 30 Jahren an die aktuelle römische Instruktion ebenfalls als etwas komplizierte Art römischer Anerkennung der veränderten Situationen vor Ort erinnern und als Beginn eines engagierten Gesprächs über die Zukunft des gelebten Glaubens – bei uns vor Ort und zwischen Rom und den Ortskirchen.

Stefan Sühling ist Leitender Pfarrer an St. Nikolaus Wesel.

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