Kolumne von Pfarrer Stefan Sühling Viele kleine Spuren von Gott sind im Alltag zu finden

Wesel · Stefan Sühling schreibt in seiner Kolumne, wie ihm ein einfaches Ritual dabei hilft, an Gott zu glauben. Der leitende Pfarrer an St. Nikolaus in Wesel erzählt, wie jeder Spuren von Gott entdecken kann.

 Stefan Sühling schreibt regelmäßig für die Rheinische Post.

Stefan Sühling schreibt regelmäßig für die Rheinische Post.

Foto: Fritz Schubert

Es ist einige Jahre her. Bei einem Klassentreffen kam ich mit einer Freundin aus Jugendtagen ins Gespräch. Sie interessierte sich, was ich in meinem Beruf als Pfarrer mache und wie ich lebe. Ihr Interesse gipfelte in der Frage: „Warum bist Du Dir sicher, dass es diesen Gott überhaupt gibt, um den sich in Deinem Beruf alles dreht?“

Die alte Freundin hat mit ihrer Frage definitiv den Kern getroffen: Was macht mich eigentlich so sicher, dass es Gott gibt? Ich frage mich selbst: Glaube ich an Gott, weil sonst meine Arbeits-Alltags-Routine keinen Sinn und Anlass hätte?

Für die Antwort musste ich eine Weile nachdenken und habe der Freundin dann von einem Ritual erzählt: Ganz regelmäßig, möglichst am Abend, nehme ich mir Zeit, den Tag Revue passieren zu lassen. Dabei halte ich bewusst Ausschau nach den Momenten, Gesprächen, Begegnungen oder auch der Textzeile, bei oder in denen ich auch im Rückblick noch das Gefühl habe, da war mehr „drin“.

Über die Jahre, die ich das nun regelmäßig mache, hat sich eine Achtsamkeit für den Alltag entwickelt. Achtsamkeit für die Momente, in denen mir Anderes entgegenkommt, als ich schon kannte. Und ich erlebe dabei: Ich werde täglich beschenkt, sei es mit einem ermunternden Lächeln in grauen regnerischen Januartagen, sei es mit einem prächtigen Sonnenaufgang, wunderbarer Musik, einem erhellenden, anregenden Artikel oder einfach einem guten Gespräch.

Es tut mir gut, am Abend eines Tages diese guten Momente noch einmal wahrzunehmen und zu sehen, es gibt sie wirklich – und es sind nicht wenige – die guten Momente im Alltag. Allerdings gilt auch, ich kann diese Momente nicht machen, ich kann sie nur achtsam aufnehmen und als Geschenk annehmen.

Geschenk von wem? Der „Schenkende“ dieser alltäglich guten Momente ist für mich Gott. Er streut in meinen Alltag die manchmal unscheinbaren, kurzen Augenblicke seiner liebevollen Gegenwart ein.

Von dieser Achtsamkeit für die Zeichen der Gegenwart Gottes in meinem Alltag habe ich der Freundin erzählt und ihr erklärt, diese Erfahrung mache mich sicher, dass es Gott gibt, nicht für mich allein – ich sei mir sicher, auch sie könne diese Spuren Gottes in ihrem Alltag entdecken.

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