Wesel Neue Schätze fürs Weseler Stadtarchiv

Wesel · RP-Leser Norbert Gertz (77) hat dem Stadtarchiv Schriftstücke und Fotos aus dem Ersten Weltkrieg überreicht.

 Feldpost, Soldatenbilder und Dokumente seines Vaters Johannes aus beiden Kriegen – dieser Schatz lag jahrelang in der Schublade von Norbert Gertz.

Feldpost, Soldatenbilder und Dokumente seines Vaters Johannes aus beiden Kriegen – dieser Schatz lag jahrelang in der Schublade von Norbert Gertz.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Es gibt sie noch, die Erinnerungsstücke und schriftlichen Zeitzeugen für den Ersten Weltkrieg, und zwar nicht nur im Stadtarchiv. Sie schlummern oftmals vergessen in Kisten auf dem Speicher, im Keller — oder in einem Schrank — wie im Fall des Bergerfurthers Norbert Gertz. "Ich hatte die Sachen so lange in einer Schublade liegen", erzählte der 77-Jährige. Durch den Artikel in der Rheinischen Post über den ZDF-Filmdreh über das 56. Regiment kamen ihm die Schätze wieder in den Sinn. Mit rund 50 Fotos, Feldpostkarten und einigen ganz besonderen Stücken seines Vaters Johannes Gertz kam er in die Redaktion. Da war echtes Expertenwissen gefragt, und das gibt es im Stadtarchiv.

 Experte Dr. Martin Roelen (Stadtarchiv) begutachtet die von Norbert Gertz (r.) übergebenen Stücke aus dem Ersten Weltkrieg.

Experte Dr. Martin Roelen (Stadtarchiv) begutachtet die von Norbert Gertz (r.) übergebenen Stücke aus dem Ersten Weltkrieg.

Foto: Malz

Man merke: Es ist ein gutes Zeichen, wenn Dr. Martin Roelen, Leiter des Stadtarchivs, seine Brille ein Stückchen herunterzieht, um über den Rand der Gläser einen genaueren Blick auf ein Dokument zu werfen. "Ich habe schon viel gesehen, aber das noch nicht", sagt er. Was hat seine Aufmerksamkeit erregt? Eine Oster-Kommunionsurkunde von Johannes Gertz (geb. 1899), die er als Soldat 1916 an der Front bekam. Sie verdeutlicht, dass es im Krieg Alltag gab. Das belegt auch ein Foto, das Weihnachten 1917 an der Front entstanden ist. Es zeigt Gertz mit einigen seiner Kameraden an einem geschmückten Baum.

Schnell wird klar: Es ist ein wenig wie puzzeln, die persönliche Kriegsgeschichte eines Soldaten, die die Fotos und Postkarten erzählen, zu rekonstruierten — und es braucht Übung, um die fein in Sütterlin geschriebene Feldpost zu entziffern. Im Falle von Johannes Gertz stammt sie aus Haguenau im Elsass und sie erzählt neben der Kriegs- auch ein Stück Familiengeschichte.

"Vetter Anton ist auch gefallen, es tut mir wirklich Leid, aber an Gottes Willen ist nichts zu ändern", zitiert Roelen die am 30. September 1917 abgestempelte Postkarte, die Johannes Gertz an seine Schwester Maria nach Mehrhoog geschickt hat. "Ich kann das leider nicht lesen, Sütterlin habe ich nicht gelernt", so Norbert Gertz. Er erfährt im Stadtarchiv Neues über das Leben seines Vaters als Soldat, über das er nach dessen Rückkehr nur gelegentlich etwas gehört hat.

Eine Win-Win-Situation, denn auch das Stadtarchiv ist nun um einige Dokumente reicher. Sie werden gesichtet, die relevanten Stücke dann eingescannt und so für immer archiviert. Die Originale erhält der Besitzer zurück.

2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal — und rückt dadurch wieder stärker ins Bewusstsein. Das führt dazu, dass in den vergangenen Wochen — nach einem Aufruf in der RP — einige solcher Schätze ins Stadtarchiv gelangt sind. Auch wenn nicht alles Volltreffer sind, gilt das Motto: "Bringen Sie die Sachen vorbei, wegschmeißen können wir auch."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort