Nabu-Chef ist empört Gülleflut am Weseler Naturschutzgebiet

Wesel · Manche Sünden kann man riechen. Das Ausbringen von Gülle in unverhältnismäßig großer Menge ist so ein Fall, der jetzt in Obrighoven für Unruhe sorgt. Dort hat ein Landwirt über über mehrere Tage hinweg auf einem Acker Gülle verteilt.

 Auf einem Feld am Naturschutzgebiet Lippealtarm in Obrighoven stinkt massenweise Gülle vor sich hin.

Auf einem Feld am Naturschutzgebiet Lippealtarm in Obrighoven stinkt massenweise Gülle vor sich hin.

Foto: Peter Malzbender

Unmittelbar am Naturschutzgebiet Lippealtarm. Dies teilte Peter Malzbender, Kreisvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu), jetzt mit. Zwei Bewohner aus der unmittelbaren Nachbarschaft an der RWE-Straße hatten sich mit Hilferufen an ihn gewandt.

„Es stinkt zum Himmel“, schimpft Malzbender und kritisiert NRW-eigene Lockerungen der Düngeverordnung, mit der die EU dem Treiben Einhalt gebieten will. Denn zu viel Gülle, so Malzbender, bedrohe das Trinkwasser und die Artenvielfalt. „Das ist wissenschaftlich bewiesen“, sagt der Nabu-Chef. „Aktuell wurde im Bundesrat eine neue Bundesdüngeverordnung verabschiedet. Damit reagierte die Bundesregierung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Er hatte bereits am 21. Juni 2018 festgestellt, dass Deutschland die Nitratrichtlinie nur unzureichend umgesetzt hat. Der Bundesrepublik drohen wegen der über Jahre verzögerten Umsetzung Strafen in Höhe von 850.000 Euro pro Tag.“

In diesen Tagen aber, so der Nabu-Vorsitzende weiter, würden überall am Niederrhein Äcker und Weiden mit Gülle eingeschwemmt. „Gülle in Maßen eingesetzt ist vertretbar. Allerdings scheint dies nicht überall der Fall zu sein“, sagt er. In Obrighoven hat er sich von der aktuellen Situation selbst ein Bild gemacht: „Ich war vor Ort und es ist selbst nach Tagen immer noch die Güllesuppe zu sehen. Unser Trinkwasser wird vornehmlich dadurch belastet.“

Dass Gülle Überhand nimmt, liegt aus Sicht der Experten an Massentierhaltung. „Die Bauern wissen nicht wohin mit der ganzen Gülle. Es sollte nachweislich jeder Landwirt nur noch flächengebunden so viele Tiere halten dürfen, dass von diesen Flächen das eigene Vieh auch ganzjährig ernährt werden kann“, sagt Malzbender. Dann würde es nur noch einen Bruchteil der heutigen Menge geben. Forscher fordern laut dem Nabu-Vorsitzenden schon lange, dass die Gülle- und Pestizidausbringung stark reduziert werden müsse. Trotzdem könnten noch alle Menschen ausreichend mit Lebensmitteln versorgt werden. „Gerade durch die konventionell betriebene Landwirtschaft ist seit Jahren ein katastrophaler Artenschwund in der Agrarlandschaft zu verzeichnen“, sagt Malzbender. Ackerwildkräuter, Insekten, Feldhasen, Acker- und Wiesenvögel seien massiv bedroht. „Das Rebhuhn, einst ein Allerweltsvogel in unserer Agrarlandschaft, ist so gut wie ausgestorben“, sagt Malzbender, der Gülle, in kleinen Mengen eingesetzt, auch Gutes abgewinnen kann.

Pferdemist zum Beispiel sei „ein Traum“. Er komme besonders den Kleinstlebewesen im Boden zugute. Zudem sieht Peter Malzbender wirtschaftliche Zwänge. Deshalb plädiert er für Unterstützung der Landwirte, wenn sie weniger Gülle produzieren. Das habe früher auch gegen den Milchsee und den Butterberg geholfen.

Wer Gülle loswerden muss, zahlt schon jetzt. Malzbender hat gehört, dass Landwirte 60 Euro pro Kubikmeter für die Entsorgung des Problemstoffs auf ihren Feldern bekommen.

Inwieweit aktuell noch Gülle aus den Niederlanden in die Kreise Wesel und Kleve importiert wird, kann der Naturschützer nicht sagen. Vor einigen Wochen hat er im Raum Bislich noch zwei Tanker aus dem Nachbarland gesehen. In den letzten Tagen ist ihm nichts mehr aufgefallen. Das könne an den Beschränkungen wegen der Corona-Krise liegen, sagt er. In den Niederlanden werde jedenfalls das Einhalten der Düngeverordnung wesentlich schärfer kontrolliert, was bekanntlich zu Export nach Deutschland führt.

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