Niederrhein "Mein Kampf" in Duisburgs Bibliothek

Niederrhein · Die Stadtbibliothek hat drei Exemplare der kritischen Ausgabe von Hitlers folgenreicher Hetzschrift bestellt. In den Duisburger Buchhandlungen wird nach dem Werk rege gefragt; allein in der Mayerschen liegen 50 Bestellungen vor.

Niederrhein: "Mein Kampf" in Duisburgs Bibliothek
Foto: Christoph Reichwein (crei)

Seit Anfang des Jahres kann man die vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebene kritische Edition von Hitlers "Mein Kampf" bestellen. Die folgenreiche Hetzschrift ist damit zum ersten Mal seit 1945 in Deutschland wieder zu kaufen. Formeller Grund für die Herausgabe des Buches ist, dass die Urheberrechte mehr als 70 Jahre nach dem Tod Hitlers erloschen sind. Seit 1948 besaß der Freistaat Bayern diese Urheberrechte. Seit Wochen wird die Herausgabe der kommentierten Ausgabe von "Mein Kampf" vielfach diskutiert, auch in Duisburg, wo sich einige Buchhandlungen schwer damit tun, "das gefährlichste Buch der Welt" zu verkaufen.

 Ein Blick in die Zentralbibliothek im Stadtfenster. Hier wird man künftig die neue kritische Ausgabe von "Mein Kampf" ausleihen können.

Ein Blick in die Zentralbibliothek im Stadtfenster. Hier wird man künftig die neue kritische Ausgabe von "Mein Kampf" ausleihen können.

Foto: Reichwein

Die Nachfrage ist indessen groß. Allein in der Mayerschen Buchhandlung liegen aktuell 50 Bestellungen vor. Allerdings müssen die Interessenten wohl noch einige Tage oder sogar Wochen warten, bis sie die beiden Bände abholen können, da die Nachfrage international so stark zu sein scheint. In der Mayerschen Buchhandlung geht man mit der Ausgabe so um wie in allen anderen Duisburger Buchhandlungen auch: Die Bände werden im Auftrag der Kunden bestellt, aber es wird kein Leseband in die Regale gestellt. Linda Broszeit von der Bücherinsel in Rheinhausen sagt gewissermaßen stellvertretend für ihre Kolleginen und Kollegen: "Die kommentierte Ausgabe von ,Mein Kampf' finde ich richtig, damit man lesen kann, welchen Schwachsinn in dem Buch steht."

In der Duisburger Stadtbibliothek musste man sich auch mit der Frage beschäftigen, wie man mit der kritischen Ausgabe von "Mein Kampf" umgehen soll. Bibliotheksdirektor Dr. Jan-Pieter Barbian und das Lektoratsteam haben sich eindeutig dafür entschieden, die kommentierte Ausgabe in den Bestand aufzunehmen. Drei Ausgaben wurden bestellt; zwei Ausgaben gehen in den allgemeinen Leihverkehr; ein Exemplar verbleibt im Präsenzbestand, der eingesehen, aber nicht ausgeliehen werden darf.

"Wir möchten die Auseinandersetzung mit Hitlers ,Mein Kampf' möglich machen", sagt Dr. Barbian gegenüber der RP. Das Institut für Zeitgeschichte stehe mit seinem untadeligen Ruf dafür, dass man mit der folgenreichen Hetzschrift so umgehen kann. Die beiden Bände umfassen 1948 Seiten, wobei der Anmerkungsteil rund 1000 Seiten umfasst. Dr. Barbian geht davon aus, dass diese kritische Ausgabe auch dazu beitragen kann, Hitlers "Mein Kampf" zu entzaubern.

Dr. Barbian ist selber ein Kenner der Nazi-Zeit. Seine Doktorarbeit "Literaturpolitik im NS-Staat", die inzwischen aktualisiert im FischerTaschenbuchverlag erschienen ist, gilt als Standardwerk. Mit Hitlers "Mein Kampf" verbindet Barbian Persönliches: Als er 1978 sein Studium der Geschichte und Germanistik begann, schenkte ihm seine Großmutter ein Exemplar von Hitler "Mein Kampf" aus dem Jahr 1932. Barbians Großmutter war Niederländerin, die mit einem Deutschen verheiratet war. Während der Nazi-Zeit arbeitete sie - als Nicht-Jüdin - in Amsterdam im "Jüdischen Pressebüro". Sie war schon allein deshalb ständig von den Nationalsozialisten mehr oder weniger offen bedroht. "Meine Familiengeschichte, besonders die Erfahrungen meiner Großmutter, sind gewiss ein Grund dafür, dass ich mich so intensiv mit der Nazi-Zeit beschäftigt habe", sagt Barbian. Seine Großmutter konnte die Entwicklung ihres Enkels lange mitverfolgen. Sie starb 1997 im Alter von 97 Jahren.

Während die kritische Ausgabe von "Mein Kampf" demnächst von allen Bibliotheksnutzern mit Leseausweis ausgeliehen werden kann, wird eine Ausgabe, die zu Hitlers Lebzeiten gedruckt wurde und die sich im Magazinbestand der Zentralbibliothek befindet, nach wie vor nur zu nachweislich wissenschaftlichen Zwecken ausgeliehen.

Aktuell hat das Goethe-Institut bei allen Stadtbibliotheken von Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern nachgefragt, wie man dort mit der neuen kritischen Ausgabe von "Mein Kampf" umgeht. Alle Stadtbibliotheken haben nach Auswertung dieser Umfrage Exemplare zum Ausleihen bestellt; die meisten Bestellungen orderte die Stadtbibliothek in München mit 17 Exemplaren. Alle anderen beschränken sich wie die Duisburger auf drei Exemplare. Nur die Stuttgarter Bibliothek verlangt einen speziellen Antrag, um die kommentierte Ausgabe von "Mein Kampf" ausleihen zu können.

(pk)
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