Integrationsdienst in Wesel Warum die Problemlöser der Malteser selbst ein Problem haben

Wesel · Der Malteser Integrationsdienst Wesel leistet nachweislich eine erfolgreiche Arbeit und kann Migranten mit gut 40 Ehrenamtlern endlich wieder in Präsenz unterstützen. Doch zum Jahresende läuft die Finanzierung des Dienstes aus.

 Das Café International in Betrieb. Hier sind Koordinatorin Anne Kolkmann (2.v.r.) und Ehrenamtlerin Juan Khadij (r.) im Gespräch mit Zugewanderten.

Das Café International in Betrieb. Hier sind Koordinatorin Anne Kolkmann (2.v.r.) und Ehrenamtlerin Juan Khadij (r.) im Gespräch mit Zugewanderten.

Foto: Fritz Schubert

Andere Länder, andere Sitten. Das zu beherzigen gilt für Deutsche im Ausland wie für Migranten in Deutschland. Allein die unterschiedlichen Begrüßungsrituale können schnell zu fatalen Missverständnissen führen. Woher sollen Angehörige fremder Kulturen auch wissen, dass man sich hier die Hand gibt. Und, wie. Ein lasches Tätscheln ist ebenso verkehrt wie ein Schraubstock. Kurz und fest, aber nicht zu kräftig. Das wäre eine gute Wahl und ist erlernbar wie die deutsche Sprache in Wort und Schrift, der Umgang mit Behörden, das Verhalten beim Arzt und vieles mehr. Allerdings braucht es dafür Lotsen, die es den Menschen aus aller Welt beibringen, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflüchtet sind. Der Integrationsdienst des Malteser Hilfsdienstes (MHD) verfügt über solche Problemlöser. Jetzt aber bekommen diese selbst ein Problem, denn die Finanzierung aus der Bundeskasse läuft zum Jahresende aus. Anne Kolkmann und Alissar Tawil, die in Wesel hauptamtlich den Dienst von gut 40 Ehrenamtlern koordinieren, fürchten um den langfristigen Erfolg der anerkannt guten Arbeit.

Die ungewisse Zukunft des Malteser Integrationsdienstes droht zur Unzeit, hat sich doch gerade erst wieder die Möglichkeit zu Präsenzveranstaltungen eröffnet. Zwar hat es während des Lockdowns enorm viele Telefonate und auch digitale Kontakte für Besprechungen mit Ehrenamtlichen und Neuzugewanderten gegeben – aktuell sind rund 75 Personen und deren Familien in einer Whatsapp-Gruppe vereint –, doch die unmittelbare Begegnung ist natürlich viel effektiver. Ein wesentliches Instrument ist das Café International, das dienstags von 10 bis 12 und donnerstags von 15 bis 17 Uhr geöffnet ist. Schauplatz ist das Pfarrheim an der Martinikirche, wo Ratsuchende und Helfer derzeit unter freiem Himmel zusammenkommen.

 Alissar Tawil (sitzend), zweite Koordinatorin des Malteser Integrationsdienstes, und eine Besucherin am Martini-Pfarrheim

Alissar Tawil (sitzend), zweite Koordinatorin des Malteser Integrationsdienstes, und eine Besucherin am Martini-Pfarrheim

Foto: Fritz Schubert

Letztere setzen sich aus allen Gruppen und Altersklassen zusammen. Zu den Ehrenamtlern gehören Menschen mit eigener Migrationsgeschichte. Diese sind laut Anne Kolkmann sehr wertvoll, weil sie die Problemlagen schneller verstehen und sich in die Lage der Fragenden versetzen können.

25 bis 30 Leute verschiedenster Nationalitäten sind an diesem Dienstagvormittag gekommen. Und es tut ihnen sichtbar gut, sich und die Helfer wiederzusehen. Um den Spracherwerb zu unterstützen, soll möglichst Deutsch kommuniziert werden. Es werden individuelle Verabredungen getroffen, die Migranten zu Ämtern, Ärzten oder Schulen zu begleiten. Das soll ihnen Sicherheit geben.

Übrigens kommen längst nicht alle ehrenamtlichen Helfer ins Café International. Manche, so Kolkmann, kommen nie, helfen aber, wenn ein Umzug gestemmt werden muss, eine Lampe fachkundig zu installieren ist oder Lernende Nachhilfe benötigen. Die hauptamtlichen Kräfte Kolkmann und Tawil bringen Ehrenamtler und Zugewanderte zusammen und sorgen auch dafür, dass die Helfer nicht alleingelassen werden. Sie sind die Ansprechpartner für beide Seiten. Außerdem ist ihnen die Vernetzung mit den anderen Wohlfahrtsverbänden, der Stadt, dem Kreis und der Kirchengemeinde wichtig. „Wir empfinden uns nicht als Konkurrenz sondern als Partner, die an einem Strang ziehen“, sagt Diplom-Sozialpädagogin Anne Kolkmann.

Ob und wie ein Aus für den Malteser Integrationsdienst vermieden werden kann, ist völlig offen. Klar ist nur, dass die bereits um ein Jahr verlängerte Finanzierung aus der Kasse des Bundeskanzleramtes Ende 2021 eingestellt wird. Von bundesweit rund 80 Integrationsdiensten des MHD sind derzeit noch etwa 60 Standorte aktiv.

Die Kölner Malteser-Zentrale ist bemüht, eine Lösung zu finden, hat aber zunächst die Bistümer damit betraut. In der Diözese Münster ist der Weseler neben Recklinghausen der einzige Dienst. Kontakte zur Weseler Stadtverwaltung hat es bereits gegeben. Nun sollen die Gespräche über Möglichkeiten der Fortführung des Programms fortgesetzt werden.

 Malteser Integrationsdienst, Anne Kolkmann (rechts), Juan Khadij (5.r..), Horst Kästner (3.v.l.), Pfarrheim Martini

Malteser Integrationsdienst, Anne Kolkmann (rechts), Juan Khadij (5.r..), Horst Kästner (3.v.l.), Pfarrheim Martini

Foto: Fritz Schubert

Zu den Projekten der Weseler Malteser gehört unter anderem das Erzählcafé in Zusammenarbeit mit dem Mehrgenerationenhaus Bogen gegenüber dem Marien-Hospital, in dem sich Verwurzelte und Zugewanderte austauschen (wir berichteten). Darüber hinaus gab es mit dem Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Wesel das Projekt „get active – get a job“ zur Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt.

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