Weseler SPD kritisiert Landrat Kies-Knies am Niederrhein

Kreis wesel · Wesels SPD-Fraktionschef Ludger Hovest greift Landrat Ansgar Müller (SPD) an. Eine Klage gegen den Kiesabbauplan des Landes sei mit Wesel nicht abgestimmt. Im Kreishaus durfte derweil ein Niederländer seine Abbau-Ideen präsentieren.

 Ludger Hovest, SPD Wesel: „Der Landrat hat mit mir über eine Klage nicht gesprochen.“

Ludger Hovest, SPD Wesel: „Der Landrat hat mit mir über eine Klage nicht gesprochen.“

Foto: Jana Bauch (jaba)

Der Streit um den Kiesabbau am Niederrhein wird immer verworrener. Der Weseler SPD-Fraktionschef Ludger Hovest attackiert nun seinen Parteigenossen, Landrat Ansgar Müller (SPD). Der Landrat als Chef des Kreishauses will gemeinsam mit vier linksrheinischen Kommunen gegen den von CDU und FDP beschlossenen Landesentwicklungsplan (LEP) klagen, weil dieser am Niederrhein massiven Kiesabbau vorsieht. Wesels SPD-Fraktionschef Ludger Hovest ärgert sich über das Vorgehen. Der Landrat habe nicht das Mandat aller 13 Kommunen im Kreis. „Er hat mit uns darüber nicht gesprochen.“

Die Weseler SPD hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder für die heimische Kiesindustrie stark gemacht, die Kreis-SPD wiederum ist gegen einen Kiesabbau in einer Dimension, wie sie der neue Landesentwicklungsplan vorsieht. Das führt zu Konflikten. Ob der Landrat von der Kreispolitik ein Mandat für eine Klage erhält, wird sich erst noch zeigen. Die Weseler SPD ist verärgert darüber, dass Müller schon vorgeprescht ist, ohne den Dialog zu suchen. Für Müller kommt die Debatte zur Unzeit: Er will sich in den nächsten Wochen festlegen, ob er erneut für das Amt des Landrats kandidiert.

Ludger Hovest verweist darauf, dass es rechtsrheinisch keine Kommune gebe, die sich auf eine Klage festgelegt hat. Er setzt eher darauf, dass Martin Tönnes, grüner Chefplaner beim Regionalverband Ruhr (RVR) sein Amt verliert. Dann könne der Kiesabbau am Niederrhein neu justiert werden. Die Weseler SPD fordert bekanntlich immer wieder die Erweiterung des Abbaugebietes Pettenkaul bei Ginderich und ein neues Abbaugebiet Vahnum bei Bislich. Würde dies umgesetzt, könnte auf einen Kiesabbau in Lackhausen/Obrighoven ebenso verzichtet werden wie in weiten Teilen der linksrheinischen Kommunen, glaubt Hovest.

Auch Wesels CDU-Fraktionschef Jürgen Linz hat sich zur geplanten LEP-Klage geäußert. „Eine Beteiligung oder gar Unterstützung der Stadt Wesel hierbei schließe ich für die CDU aus.“ Die NRW-Landesregierung habe den Plan „mit Weitsicht“ auf den Weg gebracht. Solange es nicht genug Recyclingmaterial gebe, müsse der Kies ja irgendwo herkommen. Die einzige rechtsrheinische Partei auf kommunaler Ebene, die bisher eine Klage öffentlich gefordert hat, sind die Grünen in Hamminkeln. Unwahrscheinlich allerdings, dass sie bei ihrem bisherigen Bündnispartner CDU im Hamminkelner Kommunalparlament einen Fürsprecher finden: Landtagsabgeordnete der Hamminkelner CDU ist Charlotte Quik. Sie war es, die mit ihrer Stimme geholfen hat, den Landesentwicklungsplan und damit eine Zunahme an Kiesabbau am Niederrhein zuzustimmen.

Die für den 8. Oktober angesetzte Kies-Konferenz im Weseler Kreishaus jedenfalls, so zeigt sich mehr und mehr, wird kaum zur Befriedung des Konflikts beitragen können. Mehrere linksrheinische Vertreter haben angekündigt, der Veranstaltung nicht beiwohnen zu wollen. Selbst Landrat Ansgar Müller (SPD) wird womöglich nur kurz erscheinen. Die Kreis-SPD lässt noch offen, ob sie kommen will. CDU-Fraktionschef Jürgen Linz wirbt weiter dafür, dass auch die linksrheinischen Kommunen teilnehmen. „Natürlich hätte die Konferenz am Anfang des Planungsprozesses stehen sollen, aber für Gespräche und Dialoge ist es meiner nie zu spät und so halte ich die Teilnahme aller Betroffenen für zielführender, als sich deprimiert auf einer Gegenveranstaltung zusammenzurotten. Gerade jetzt, wo doch die Arbeit am Entwurf des Regionalplanes weitergeht.“

Wie kann Kiesabbau zur Zufriedenheit aller gelingen? Einen Lösungsversuch wollte im Umweltauschuss des Kreises auch ein Niederländer präsentieren. Robèrt van de Laar aus der Geschäftsführung der Teunesen Group zeigte Kiesabbauprojekte aus dem Nachbarland, bei denen Naturschutz, Anwohnerinteressen, Hochwasserschutz und Industriebelange in Einklang gebracht worden seien. Der Vortrag dieses Kieslobbyisten glich bisweilen einer Werbeveranstaltung. Und doch ließ ein Punkt aufhorchen: In den Niederlanden, so erklärte van de Laar, werde von unten nach oben geplant. Die Gemeinde suche den Konsens mit den Firmen, beachte Anwohnerinteressen. Planung werde nicht wie in Deutschland übergestülpt.

Bis 2008 noch hätten die Niederländer ähnlich wie die Deutschen geplant. Abgrabungsbedarfe und Abbauflächen seien von der Provinz definiert worden. Mit einer Gesetzesänderung danach bekamen die Kommunen mehr Mitbestimmungsrechte. „Die Gemeinde hat das letzte Wort“, sagte van de Laar. Direkt danach hätten sich die Abbaumengen erhöht – ohne mehr Konflikte: „Es gibt keine Überraschungen mehr, es gibt teilweise null Beschwerden.“ Hilfreich sei es, wenn bei Abbauprojekten Zwischenziele formuliert werden, also schon während des Abbaus direkt Teile einer Grube wieder renaturiert oder als Freizeitfläche vorbereitet werden. Firmen müssten Bankbürgerschaften hinterlegen, damit die spätere Gestaltung garantiert ist. Dieses Kernargument gefiel einigen Kreispolitikern. Arndt Capell-Höpken (CDU) aus Hünxe regte gar an, ob man nicht auch im Kreis Wesel ein Modellprojekt in dieser Art umsetzen könne.

 Ansgar Müller, Landrat mit SPD-Parteibuch: Er ist für die Klage, will die Kreispolitik abstimmen lassen.

Ansgar Müller, Landrat mit SPD-Parteibuch: Er ist für die Klage, will die Kreispolitik abstimmen lassen.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Es gab auch Kritiker am Vortrag: Jürgen Preuß (SPD) sagte: „Ihre Präsentation gleicht einer Kaffeefahrt.“ Preuß bohrte nach und erhielt Informationen zum Kiesbedarf der Niederlande. Ergebnis: Die Niederländer können ihren Kiesbedarf nicht selbst decken, sind etwa auf Import aus Deutschland angewiesen. „Wir schaffen es bisher nur, 20 Prozent der Kiesmengen aus Recycling zu erzeugen.“ Gebraucht würde aber fünf- oder sechsmal soviel. Und noch eine Frage stellte die Preuß: Wie viel eigentlich eine Tonne Kies in den Niederlanden koste, wenn dort so viel nachhaltiger abgebaut wird. Die Preise in Deutschland und den Niederlanden seien in etwa identisch, sagte van de Laar, ohne ins Detail zu gehen. Mancher Kreispolitiker glaubt nun Hinweise zu haben, wie groß die Kiesmarge für so manches am Niederrhein aktive Unternehmen ist.

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