Wesel Lebenshilfe: Nicht bange

Wesel · Zukunft der Werkstattplätze

WESEL / REES Eine düstere Prognose gab kürzlich Hans-Jürgen Wagner, Landesgeschäftsführer der Lebenshilfe: 20 Prozent der Werkstattplätze könnten durch gesetzliche Änderungen wegfallen. Aber die Debatte ist noch voll im Gange. Und nicht ganz so pessimistisch ist Verena Birnbacher, Geschäftsführer der Lebenshilfe Rees-Groin, wie sie im Gespräch mit RP-Redakteur Sebastian Latzel erläutert.

Eine Reihe von Veränderungen kommen auf die Behinderten-Einrichtungen zu.

Birnbacher Das ist richtig. Einmal sollen Lernbehinderte keinen Zugang mehr zu den Werkstätten bekommen. Wo diese Menschen dann aufgefangen werden sollen, das sagt keiner. Außerdem sollen die betriebsintegrierten Arbeitsplätze ausgebaut werden. Das bedeutet, dass Behinderte etwa in einer Schreinerei arbeiten, aber weiter den Status von Werkstattmitarbeitern haben und auch eine entsprechende Förderung erhalten müssen. Im großen Stil wird dies eher die großen Städte betreffen und ist bei uns auf dem Land nur die Ausnahme, weil kleine Betriebe so etwas weniger anbieten können. Wobei auch die Lebenshilfe bereits über mehrere betriebsintegrierte Arbeitsplätze verfügt und weiter ausbauen wird.

Hans-Jürgen Wagner sprach jüngst bei seinem Besuch in Wesel davon, dass 20 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen könnten.

Birnbacher Er bezieht sich damit auf eine Gesetzesänderung zum 1. Januar 2008. Dann bekommt auch jeder Behinderte ein persönliches Budget, über das er verfügen kann. Mit diesem Geld kann er dann die Leistung ganz gezielt für sich aussuchen und dabei natürlich nach den Kosten gehen. Herr Wagner befürchtet offenbar, dass sich der Behinderte dann kostengünstigere Werkstätten suchen könnte.

Ist ein Behinderter denn in der Lage, so etwas zu beurteilen?

Birnbacher Das übernehmen die Betreuer oder die Eltern. Auf jeden Fall wird diese Entwicklung dazu führen, dass das zu einer Art Kunde- Service-Beziehung führen wird.

Und davor ist Ihnen nicht bange?

Birnbacher Nein, denn wir haben die Aufgabe erkannt, dass wir bei der Betreuung in Richtung Individualisierung gehen müssen. Wir müssen genau unsere Leistung und Kosten beschreiben und Maßnahmenpakete schnüren. Der Behinderte ist dann gewissermaßen unser Kunde.

Werden dann nicht auch Private versuchen, auf diesen Zug aufzuspringen?

Birnbacher Diesen Versuch gibt es bereits. Doch da haben wir noch einen großen Vorsprung. Denn Werkstätten müssen zur Zeit noch 120 Arbeitsplätze vorweisen und einen entsprechenden Stellenschlüssel haben. Auf dem Markt gibt es bereits Integrationsfirmen, bei denen Behinderte dann tarifliche Löhne bekommen. Möglich ist das allerdings nur durch einen Zuschuss von der Agentur für Arbeit, und der ist zeitlich befristet. Danach wirtschaftlich zu überleben, ist sehr schwer. Wir als Lebenshilfe sind mit unseren Werkstätten aber bereits gut aufgestellt. Ich denke, dass wir damit auch den Herausforderungen durch die Änderungen gewachsen sind.

(RP)
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