Wirtschaft in der Krise Die Kurzarbeit-Zahlen sind eine schwer fassbare Größe

Niederrhein · Etwa jeder fünfte Betrieb hat laut Arbeitsagentur Kurzarbeit angezeigt. Die IHK stellt fest, dass bei einem Drittel der Unternehmen die Geschäfte ruhen.

 Die Arbeitsagentur Wesel registrierte zuletzt rund 4200 Anzeigen von Kurzarbeit.

Die Arbeitsagentur Wesel registrierte zuletzt rund 4200 Anzeigen von Kurzarbeit.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Corona-Krise ist in der Arbeitsagentur Wesel, die für die Kreise Wesel und Kleve zuständig ist, stark spürbar. Die Mitarbeiter haben bis Freitag, 27. März, mehr als 2200 Beratungsanfragen und rund 4200 Anzeigen von Kurzarbeit registriert. Das waren die beiden wichtigsten Botschaften von Agenturchefin Barbara Ossyra in ihrem monatlichen Bericht zur Lage auf dem Arbeitsmarkt am Dienstag. Einordnen lässt sich allerdings noch wenig. Denn erst die Zahlen für April werden Aufschluss über Details geben.

Erklärungsbedürftig ist vor allem die Kurzarbeit. Ossyra sagte dazu, 4200 Anzeigen seien noch keine abschließende Zahl, sondern ein grober Anhaltspunkt. Zum einen würden derzeit noch Anzeigen erfasst und bearbeitet, zum anderen könnten auch doppelte Meldungen möglich sein, wenn Betriebe die Kurzarbeit online und zusätzlich per Mail anzeigen.

Unschärfen ergeben sich aktuell auch aus anderen Gründen. Die Zahl 4200 ist nicht mit kurzarbeitenden Personen gleichzusetzen. Gemeint sind Betriebe mit mindenstens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigen. Da derzeit auch viele Kleinstunternehmen von den Beschränkungen betroffen und zum Nichtstun verdammt sind, erklärt dies die auf den ersten Blick hoch erscheinende Zahl. Andererseits darf man nicht 1:1 Betriebe annehmen. Denn es können sich dahinter auch Mehrfachmeldungen großer Betriebe verbergen, da diese für einzelne Abteilungen beziehungsweise Tochterunternehmen auch einzelne Anzeigen eingereicht haben könnten. Dies erklärte Agentursprecherin Sabine Hanzen-Paprotta auf Anfrage unserer Redaktion. Ihre weiterhin ebenfalls grobe Vermutung zur Momentaufnahme für März ist, dass es eher etwa 4000 Betriebe sind. Bei einer Gesamtzahl von rund 19.000 Unternehmen in den Kreisen Wesel und Kleve würde das bedeuten, dass in etwa jedem fünften Betrieb Kurzarbeit herrscht.

Auch die Wirtschaftsverbände liefern Zahlen. Eine Blitzumfrage der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) ergab, dass bereits bei einem Drittel die Geschäfte ruhen und 40 Prozent für 2020 mit mehr als 25 Prozent Umsatzeinbußen rechnen. 14 Prozent erwarten sogar mehr als eine Halbierung ihres Umsatzes im Vergleich zum Vorjahr, heißt es in der Mitteilung weiter. Begrüßt wurden Hilfsprogramme von Bund, Land und Kommunen. Die IHK hat dafür ihre Beratung personell und zeitlich hochgefahren. „Die Weichen sind gestellt. Jetzt kommt es darauf an, dass die Hilfen die Unternehmen so schnell wie möglich erreichen“, sagte IHK-Präsident Burkhard Landers aus Wesel.

Nach einer Studie des Münchner Instituts Ifo schätzt die IHK den volkswirtschaftlichen Verlust am Niederrhein auf 250 bis 600 Millionen Euro pro Woche. Während Reisebranche und Gastgewerbe einen nahezu vollständigen Stillstand erleben, so die IHK weiter, hätten andere Branchen Probleme, die veränderte Nachfrage zu befriedigen. Jedes vierte Unternehmen klage über logistische Engpässe. Viele Unternehmen hätten mit dem Ausfall von Mitarbeitern zu kämpfen. Nachbesserungsbedarf sähen sie bei den Soforthilfen und der Unternehmensbesteuerung. Beim Kurzarbeitergeld plädierten Betriebe auch für eine Einbeziehung der Auszubildenden.

„Der Erfolg der Programme wird entscheidend davon abhängen, wie schnell die versprochenen Mittel bei den Unternehmen ankommen. Außerdem gilt es schon jetzt genau hinzusehen, was wo gebraucht wird. Ein Eventcaterer, der nicht weiß, wann er wieder einen Auftrag bekommt, kann seine laufenden Kosten nicht mit Krediten bezahlen, egal, ob diese durch Bürgschaften abgesichert sind oder nicht. Hier muss die Politik noch einmal nachsteuern“, sagte IHK-Präsident Landers.

IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger macht sich parallel für die Lösung anderer Probleme stark. „Damit betroffene Betriebe nach der Krise weiter leistungsfähig sind, muss die Politik für eine Atempause bei den Gewerbemieten sorgen“, forderte Dietzfelbinger. Es komme darauf an, dass der von der Bundesregierung geplante Krisenfonds für Härten im Immobilienbereich auch die Probleme bei Gewerbemietverhältnissen berücksichtigt. „Damit wäre eine Grundlage geschaffen, damit sich Vermieter und Mieter einvernehmlich verständigen können“, sagte Dietzfelbinger. Ziel sei es, einen fairen Ausgleich und individuelle Lösungen zum dauerhaften Erhalt der Mietverhältnisse zu ermöglichen.

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