Wesel Krimi als "neuer Heimatroman"

Wesel · Der Weseler Thomas Hesse war 1997 mit Thomas Niermann ein Pionier des regionalen Krimis. Das Genre hat seitdem einen ungeahnten Aufschwung erlebt. Der Autor ist weiter dabei – im Wesel-Xanten-Duo mit Renate Wirth.

Es begab sich im Jahr 1997, da beschlossen die beiden Weseler Thomas Niermann und Thomas Hesse einen weißen Fleck auf der literarischen Landkarte des unteren Niederrheins zu tilgen. Hatte doch im fernen Kleve ein gewisses Trio Criminale den erfolgreichen Versuch unternommen, mit regional angesiedelten Kriminalromanen das Herz der Niederrheiner zu treffen. Was die nahe der niederländischen Grenze können, schaffen wir auch im Kreis Wesel und speziell in dessen rechtsrheinischem Teil, beschlossen Hesse und Niermann. Die Legende besagt, dass die Autoren ein Manuskript namens "Der Esel" aus der Schublade zogen, um damit den Krimi mit Tatort Wesel zu begründen. Sie kamen, sahen und siegten – so schnell ging es natürlich nicht.

Markenzeichen: Tiernamen-Titel

Die Mühsal der Verlagssuche in einem damals noch jungen Genre mit durchaus experimentellem Charakter wurde am Ende bewältigt. Der Kölner Verleger Hans-Josef Emons, einst mit seinen Köln-Krimis Wegbereiter der regionalen Szene, wagte sich ins niederrheinische Flachland. "Der Esel", benannt nach Wesels Echo-Tier, wurde zum Überraschungserfolg. Hesse / Niermann ließen drei weitere Bücher folgen, bevor sich ihre Wege trennten. Es folgte das Autorenduo Thomas Hesse / Renate Wirth, das bis heute fünf gemeinsame Regionalkrimis herausgebracht hat. "Die Eule" heißt ihr aktueller.

Seit 2005 arbeiten der Weseler Thomas Hesse, der im Hauptberuf bei der Rheinischen Post Wesel arbeitet und Kenner der örtlichen wie regionalen Szenerie ist, und die Xantenerin Renate Wirth, beruflich beim Kinderschutzbund in Wesel, zusammen. Geblieben ist das konstante Markenzeichen: Tiernamen als Titel. Nur einmal funktionierte das nicht. Das Duo hatte sich "Die Schnecke" ausgesucht. "Das klang dem Verlag zu schleimig. Schließlich kam ,Das Dorf' heraus – auch passend, denn die Handlung war im fiktiven Bislicher Ortsteil Büschken angesiedelt."

Sie wollen sich absetzen

Dennoch hat sich die Tier-Titel-Serie als richtiges Merkmal erwiesen, denn regionale Krimis fluten mittlerweile regelrecht den niederrheinischen Markt. Ein Phänomen, offensichtlich sehen und suchen immer mehr Verlage in diesem Bereich ihre Chancen. Allein in der Kreisstadt Wesel beackern mittlerweile drei Autoren das begrenzte kriminalistische Umland. "Das tut der Qualität nicht unbedingt gut, da ist manches provinziell und heimattümelnd", finden Hesse / Wirth. Sie wollen sich absetzen vom Einheitsbrei, schreiben hintergründige Geschichten mit Tempo, eindringlichen Figuren und aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen.

Die Themen sind bewusst nicht allein auf den Niederrhein begrenzt, wie zuletzt in "Die Eule". 20 Jahre nach der Wende reicht der lange Arm der Stasi bis an den Niederrhein. Die deutsch-deutsche Geschichte, die auf einem authentischen Fall beruht, verweben die Autoren durch geschickte Perspektivwechsel zur vielschichtigen Story. Das Thema passt in die Zeit, da die Wiedervereinigung mit all ihren Folgen rund zwei Jahrzehnte alt ist. "Inhaltlich wird so der Spielraum größer, die Handlungsbögen lassen sich spannungsvoller entwickeln. Doch im Mittelpunkt steht der Niederrhein", sagen die Autoren.

Härtetest Lesung

Mit Sorgfalt passen sie auf, dass alle Orte, Wege und Straßen und Häuser tatsächlich so beschrieben werden, wie sie sind. "Nicht als geschriebener Stadtplan, sondern mit stimmiger Atmosphäre unter Berücksichtigung lokaler Besonderheiten. Das lieben niederrheinische Leser", so Hesse / Wirth. Nicht umsonst werde der regionale Krimi in wissenschaftlichen Untersuchungen als "neuer Heimatroman" beschrieben. Ob die Mischung funktioniert, wird spätestens beim Härtetest Lesung klar. "Kommt die Atmosphäre rüber, ist die regionale Seite stimmig, entwickelt sich die Geschichte – die Zuhörer lassen es die Autoren spüren und wissen", sagt Thomas Hesse. Eins, so weiß er, funktioniert immer: Wenn er und Renate Wirth zwischen Textstücken Einblick in ihre Krimi-Werkstatt geben, ist großes Interesse präsent. Die am häufigsten gestellte Frage: "Wie schreibt man zu zweit einen Krimi?" "Das fragen wir uns manchmal auch", sagen dann die Autoren. Um zu erzählen, wie sie arbeiten und "dass wir jedes mal selbst überrascht sind, wer tatsächlich der Täter oder die Täterin ist".

Info Alle Folgen der Serie im Internet unter www.rp-online.de/wesel

(RP)
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