Corona-Krise im Kreis Wesel Gastronomie fordert schnelle Lockerung

Wesel/Hamminkeln/Schermbeck · Der Gaststättenverband sieht 30 bis 50 Prozent aller Betriebe in ihrer Existenz bedroht, wenn nicht schnell eine Lockerung der Corona-Beschränkungen beschlossen wird. Betroffene in Wesel, Hamminkeln und Schermbeck wünschen sich Perspektiven.

 Heike Kloster-Kraul kann nicht verstehen, warum Kunden in ihrem Weinfreilichtmuseum in Wertherbruch kein Glas Wein trinken dürfen. „Hier ist so viel Platz, dass jeder Abstand halten kann“, sagt sie.

Heike Kloster-Kraul kann nicht verstehen, warum Kunden in ihrem Weinfreilichtmuseum in Wertherbruch kein Glas Wein trinken dürfen. „Hier ist so viel Platz, dass jeder Abstand halten kann“, sagt sie.

Foto: Klaus Nikolei

Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein, ist froh, dass in Zeiten der Corona-Krise bislang noch kein Gastronom im Kreis Wesel das Handtuch geworfen hat. Doch das könnte sich sehr schnell ändern, wenn die Politik nicht in den nächsten zwei Wochen für eine Lockerung der Corona-Beschränkungen sorgt und einen finanziellen Rettungsschirm spannt.

„Ich gehe davon aus, dass 30 bis 50 Prozent aller Betriebe nicht wieder öffnen, wenn sich nicht schnell etwas ändert“, sagt Kolaric. Dass seit Montag große Möbelhäuser wieder öffnen dürfen, weil, so Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) 35.000 Menschen im Lande in der Möbelindustrie beschäftigt seien, kann Kolaric nicht begreifen. „Wenn man das Arbeitsplatzargument ins Feld führt, müsste die Gastronomie schon lange wieder geöffnet sein.“

Die Branche brauche dringend ein verlässliches Signal der Politik, da sich ansonsten Perspektivlosigkeit breitmachen werde. „Wir brauchen etwas, an das wir uns klammern können“, sagt Thomas Kolaric. „Wir haben die gleichen Chancen verdient wie andere, zumal wir uns mit der Umsetzung von Hygienemaßnahmen auskennen.“ Die Politik müsse sich überlegen, ob sie für die Betriebe zahle oder hinterher für die Arbeitslosen.

 Maria Teichner betreibt das Restaurant Frenzis Mediterran in Wesel.

Maria Teichner betreibt das Restaurant Frenzis Mediterran in Wesel.

Foto: Klaus Nikolei

Diese Meinung vertritt auch Heike Kloster-Kraul, die mit ihrem Mann Eckhard Kloster in Hamminkeln-Wertherbruch im Bereich Eventgastronomie tätig ist. Normalerweise finden in ihren Räumlichkeiten und auf dem 4000 Quadratmeter großen Weinfreilichtmuseum im Frühjahr und Sommer zahlreiche Hochzeiten, Familienfeiern und Seminare statt. Dieses Standbein, das einen Großteil der Gesamteinkünfte ausmacht, ist seit Mitte März weggebrochen.

Die Familie Kloster-Kraul, die in Worms ein eigenes Weingut besitzt, verkauft jetzt verstärkt Wein online, aber auch direkt im Wertherbrucher Weinkontor. „Immer wieder möchten Kunden bei uns ein Glas Wein trinken. Doch das müssen wir ihnen wegen der Auflagen verwehren. Das versteht niemand, weil es bei uns gar kein Problem wäre, den Sicherheitsabstand einzuhalten“, sagt Heike Kloster-Kraul. Aus ihrer Sicht dürften nicht alle Betriebe über einen Kamm geschoren werden. „Ich wünsche mir, dass so schnell wie möglich Einzelentscheidungen fallen können, dass die Einschränkungen gelockert werden und wir von der Politik Planungssicherheit bekommen. Das ist notwendig, um weiterhin motiviert zu sein.“

 Die Gaststätte Overkämping in Schermbeck, die in diesem Jahr 110. Geburtstag feiern möchte, wird aktuell renoviert. Am 4. Mai, so hofft Betreiberin Alexandra Schult, soll Wiedereröffnung gefeiert werden.

Die Gaststätte Overkämping in Schermbeck, die in diesem Jahr 110. Geburtstag feiern möchte, wird aktuell renoviert. Am 4. Mai, so hofft Betreiberin Alexandra Schult, soll Wiedereröffnung gefeiert werden.

Foto: Klaus Nikolei

Motiviert ist Maria Teichner zweifelsohne. Doch auch der Betreiberin des Restaurants Frenzis Mediterran, das sich seit gut einem Jahr unweit des Weseler Bahnhofs befindet, hofft inständig, dass sie schon bald wieder Gäste begrüßen kann. Aktuell bietet sie, außer montags, täglich ab 17 Uhr einige kleine Gerichte und vor allem auch Pizza zum Mitnehmen an. „Ich habe staatliche Hilfe beantragt, meine vier Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, bekäme Geld von der Bank und kann noch auf Ersparnisse zurückgreifen: Aber es wird Zeit, dass die Corona-Beschränkungen gelockert werden, um diese Krise durchhalten zu können.“ Sie weiß, dass sich viele Stammkunden wünschen, dass sie wieder öffnet. „Es ist nämlich etwas anderes, wenn man in ein Restaurant geht, als zu Hause zu kochen“, sagt sie und befürchtet, dass im Laufe der Zeit „die Esskultur verschwinden“ könnte.

Öffnen möchte auch Wirtin Alexandra Schult ihren Gasthof Overkämping an der Mittelstraße in Schermbeck möglichst schnell wieder. Vorsichtig ins Auge gefasst hat sie den 4. Mai. Dann nämlich sollen die umfangreichen Renovierungsarbeiten in dem Traditionsgasthof beendet sein, der in diesem Jahr 110. Geburtstag feiert. „Eigentlich wollten wir nur in den Osterferien den Gasthof schließen. Durch Corona haben die Handwerker nun mehr Zeit für alles“, sagt Alexandra Schult, die mehrere zehntausend Euro unter anderem in eine Klimaanlage, neue Fenster und in eine neue Licht- und Soundanlage investiert.

Am 30. April will sie wieder mit dem Außerhaus-Verkauf von Speisen beginnen. Und wenige Tage später dann neu eröffnen. „Ich hoffe sehr, dass das klappt. Wenn man sieht, dass sich die Leute im Baumarkt drängeln und wir dürfen nicht öffnen, dann ist das nicht nachvollziehbar.“ Zumal es kein Problem sei, die Abstands- und Hygieneauflagen zu erfüllen.

Besuchen Sie auch die neue Plattform der Rheinischen Post unter www.rp-gemeinsamstark.de. Auf dieser Plattform wollen wir Helfer und Hilfsbedürftige zusammenführen, beispielsweise für den Einkauf für einen älteren Nachbarn oder das Hilfspaket für Obdachlose. Gleichzeitig wollen wir einen Marktplatz für Dienstleistungsunternehmen aus Handel, Handwerk und Gastronomie schaffen, die durch die Krise in Not geraten sind.

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