Wesel Kraftakt: 1155 Flüchtlinge in Wesel

Wesel · Der Zustrom der Flüchtlinge bewegt und führt zu Fragen. In der Stadt sind aber so viele Plätze belegt, dass zusätzliche Zuweisungen derzeit nicht zu erwarten sind. Max Bahr nicht als Unterkunft im Visier.

 Der ehemalige Max Bahr-Baumarkt ist derzeit nicht als weitere Flüchtlingsunterkunft im Gespräch.

Der ehemalige Max Bahr-Baumarkt ist derzeit nicht als weitere Flüchtlingsunterkunft im Gespräch.

Foto: Malz

"Da ist eine Kiste. Da steht ,Flüchtlinge' drauf. Die muss man auspacken und erklären", beschreibt Daniel Kunstleben einerseits die vielen Fragen aus der Bevölkerung und andererseits die Vielschichtigkeit der Antworten. Zweieinhalb Stunden hat der Erste Beigeordnete bei der SPD Ost über die Lage informiert. Und die ändert sich ständig. 910 Flüchtlinge hatte die Bezirksregierung Arnsberg Ende September für Wesel in den Akten, was der landesweit sehr hohen Quote von 15,15 je 1000 Einwohner entsprach (RP berichtete). Tatsächlich waren es gerade sogar 1155 Menschen (125 am Lippeglacis, 500 an der Trappstraße und 530 von der Stadt dezentral untergebrachte). "Waren", denn in der Unterkunft auf dem Trapp-Gelände läuft ein Wechsel. Die ersten 250 Flüchtlinge sind Donnerstag und gestern auf andere Einrichtungen, teils in anderen Bundesländern, verteilt worden. Neue sollten, so Leiter Rainer Keller (DRK), in der letzen Nacht.

Wegen der bereits hohen Belegung in Wesel sind zusätzliche Zuweisungen im Augenblick nicht zu erwarten, sagt Kunstleben im RP-Gespräch. Auch sei deshalb der ehemalige Max Bahr-Baumarkt derzeit nicht als weitere Unterkunft im Visier. Dies hatten RP-Leser aus dem Hanseviertel vermutet, weil andernorts leerstehende Märkte (umstritten) genutzt werden und im Weseler Arbeiten zu beobachten sind. Laut Kunstleben handelt es um die Demontage verkauften Inventars.

Wie sehr sich die Weseler mit der Flüchtlingssituation beschäftigen, zeigen weitere Beispiele. Ein Leser fragte sich, ob denn an der Trappstraße nicht Schüler, gerade jetzt in den Ferien, den betätigungslosen jungen Leuten aus aller Welt Deutsch beibringen könnten. Verschiedene Sprachkurse werden aber bereits angeboten und gut angenommen, sagt Keller. Und zwar von sonntags bis freitags mit jeweils 20 bis 30 Teilnehmern. Zudem laufe ein vielseitiges Freizeit-Programm.

Ein weiterer RP-Leser machte auf Polizeieinsätze aufmerksam. Auch dazu hat Keller eine Erklärung: Es waren mobile Registrierungstrupps der - natürlich uniformierten - Bundespolizei, die ganz normale Arbeit leisteten. Darüber hinaus gab es zwei andere Polizeieinsätze in den letzten vier Wochen, was Keller als gering einschätzt. So sieht es auch Kunstleben, der von drei kleinen Einsätzen in drei Monaten am Lippeglacis spricht: "Präsenz zeigen zur Abkühlung erhitzter Gemüter."

Wer kommt woher? Das ist wohl eine der am schwierigsten zu beantwortenden Fragen, doch sieht der Erste Beigeordnete Kunstleben die konstante Tendenz, dass Menschen vom Balkan die Hälfte ausmachen und die Kontingente anführen. Serbien, Mazedonien und Albanien rangieren vor Syrien, gefolgt vom Kosovo, von Afghanistan und Russland auf einer 33 Länder umfassenden Liste mit Schlusslicht Sri Lanka.

Das führt zur bundesweit drängenden Frage, warum die Menschen vom Balkan mit wenig Aussicht auf Asylstatus nicht schneller wieder wegmüssen. Kunstleben weiß, wie schwer sich die Behörden tun, dass sie mit Neuankömmlingen zu tun haben, längst fällige Rückführungen warten müssen und es lediglich eine Überlegung gab, 3000 Bundespolizisten zusätzlich einzustellen. Berge von andernorts gehorteten Pässen, wie jene der ausreisewilligen Albaner, machen es nicht leichter. Immerhin können von Botschaften auch Ersatzpapiere angefordert werden. "Gemessen am Zustrom in Deutschland weiß ich nicht, ob andere Lände das besser wuppen können", sagt Kunstleben - auch mit Respekt vor der Leistung ehrenamtlicher Helfer und Spender.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort