Kolumne Himmel & Erde 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Wesel · Thomas Brödenfeld, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Wesel, wünscht sich ein klares Bekenntnis, dass Jüdinnen und Juden ein Teil der Gesellschaft sind. Der menschenverachtende Antisemitismus muss ein Ende haben.

 Thomas Brödenfeld ist Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Wesel.

Thomas Brödenfeld ist Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Wesel.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Seit 1700 Jahren ist jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland nachgewiesen – das ist Anlass für ein Festjahr mit rund 1000 Veranstaltungen. Der früheste Nachweis für jüdisches Leben auf deutschem Territorium stammt aus dem Jahr 321. Damals erließ der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, das den Juden eine Berufung in den Kölner Stadtrat ermöglichte. Dieses Dekret gilt als der älteste Beleg für die Existenz jüdischer Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.

Den bundesweiten Auftakt des Erinnerungsjahres 2021 bildete ein Festakt am 21. Februar in der Kölner Synagoge. Mit seiner Ansprache eröffnete Bundespräsident Steinmeier das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, das wie viele andere Ereignisse auch unter den schwierigen Einschränkungen der Corona-Pandemie steht. Steinmeier machte in seiner Rede deutlich, dass Deutschland nur dann „vollkommen bei sich sei, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen.“ Das sei der Auftrag aus 1700 Jahren Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland.

Wir alle wissen, wie entsetzlich weite Teile der Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland verlaufen sind. Während Jüdinnen und Juden das religiöse, kulturelle und wissenschaftliche Leben in Deutschland in vielfältiger Weise bereichert haben, haben sich Deutsche immer wieder an jüdischem Leben schuldig gemacht. Die christlichen Kirchen marschierten dabei über viele Jahrhunderte an vorderster Stelle mit. Juden wurden verantwortlich gemacht für Krankheiten und Seuchen, Hunger und Armut. Der stumpfsinnige Reflex, jüdisches Leben gänzlich zu vernichten und auszurotten, mündete in der Katastrophe des Nationalsozialismus und der Shoa.

Bis heute hält sich ein menschenverachtender Antisemitismus in unserem Land, der mit Judenwitzen auf Schulhöfen beginnt und in Anschlägen wie auf die Synagoge in Halle 2019 endet. Brauner Bodensatz wie die AfD hat es sogar bis in die Parlamente geschafft. Anlässlich dieses Festjahres wünsche ich mir, wie es unser Bundespräsident gesagt hat, ein klares Bekenntnis, dass „Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Teil von uns sind“ – sowie ein entschiedenes Entgegentreten denen gegenüber, „die das noch oder wieder infrage stellen“.

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