Vorläuferbau der Ludgeruskirche Großer Gau im Gotteshaus

Schermbeck · Vor 180 Jahren wurde der Vorgänger der Ludgeruskirche in Schermbeck eingeweiht. Lange hielt der Bau mit gravierenden Mängeln nicht. Nach dem Einsturz musste schnell eine neue Kirche her. Das gelang.

 Der Vorläuferbau der heutigen Ludgeruskirche: Der Fotograf stand damals auf der Erler Straße etwa dort, wo sich heute das Geschäft Norma befindet. 
  Repros (2): Scheffler

Der Vorläuferbau der heutigen Ludgeruskirche: Der Fotograf stand damals auf der Erler Straße etwa dort, wo sich heute das Geschäft Norma befindet. Repros (2): Scheffler

Foto: Repro: Helmut Scheffler

Dort, wo sich heute der Bau der Ludgeruskirche erhebt, stand noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Vorläuferbau, der am 19. Oktober 1841 – also heute vor 180 Jahren – eingeweiht wurde. „Nach den Befreiungskriegen 1815 beantragte Pfarrer Budde die Erweiterung der viel zu kleinen Pfarrkirche“, berichtete Bruno Loewenau in der Pfarrchronik. Auch der Nachfolger des Pfarrers, Wilhelm Nientiet, drängte auf einen Kirchenneubau, zumal am 22. Januar 1830 die Katholiken aus Schermbeck, Bricht und Overbeck eingepfarrt wurden.

Am 28. April 1840 wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. In diesen wurde eine lateinische Urkunde gelegt, deren sinngemäße Übersetzung in der Ludgerus-Festschrift des Jahres 1965 abgedruckt wurde. Darin heißt es: „Unter Graf Ferdinand von Merveldt, dem Patron dieser Kirche, hat Wilhelm Nientiet als hiesiger Pfarrer mit Ermächtigung des Bischofs diesen Grundstein zum Kirchenneubau unter Anrufung des hl. Ludger, des Patrons der Kirche zu Altschermbeck, nach heiligem feierlichen Brauch unter reger Anteilnahme der Gemeinde geweiht und gelegt.“

Eine Baubeschreibung der Kirche ist erhalten geblieben. Wolfgang Neugebauer stellte sie in den Monatsblättern für Landeskunde und Volkstum Westfalens vor. Darin ist zu lesen, dass die fünfachsige, frühere Kirche an der Westseite den vorhandenen Turm einschloss und im Osten einen Chor besaß, an den beiderseits niedrige Sakristeianbauten angefügt waren. Das Mauerwerk bestand demnach aus quaderförmigen Natursteinen. Es ruhte auf einem niedrigen Sockel.

Die Nord- und Südansichten der Kirche waren spiegelbildlich gleich. In der Mittelachse jeder Längsseite lag ein Eingang. Die Seitenportale besaßen satteldachförmige Überdachungen und Türen mit horizontalem Sturz. Für die Ostansicht war der Choranbau bestimmend, der zwei Fenster besaß. Alle Dächer waren schiefergedeckt. Der spitze Turmhelm hatte die Form einer achtseitigen Pyramide und trug Kegel, Kreuz und Hahn.

 Das Foto zeigt die Innenansicht jener Kirche, die 1841 eingeweiht wurde und im Jahr 1913 einstürzte, sodass ein Neubau erforderlich war.

Das Foto zeigt die Innenansicht jener Kirche, die 1841 eingeweiht wurde und im Jahr 1913 einstürzte, sodass ein Neubau erforderlich war.

Foto: Repro: Helmut Scheffler

Unter tatkräftiger Mithilfe der Pfarrangehörigen schritt der Neubau rasch voran. Am 19. Oktober 1841 nahm Weihbischof Franz Arnold Melchers in Gegenwart von 26 Geistlichen und der politischen Repräsentanten die Einweihung vor.

Das Innere der Ludgeruskirche des 19. Jahrhunderts war lange Zeit unbekannt. Bei Aufräumarbeiten im Archiv der Kirchengemeinde fand Willy Tasse vor etwa 30 Jahren ein Foto vom Inneren. Man erkennt darauf den dreischiffigen, verputzten Kirchenraum. Vom Chor aus waren durch einflügelige Türen die seitlich angebaute Sakristei und der Geräteraum zu erreichen. Während das Mittelschiff und der um vier Stufen erhöhte Chor von einem Holzgewölbe überspannt wurden, deckten flache Holzbalkenlagen die Seitenschiffe ab. Der Kirchenfußboden war mit quadratischen Sandsteinplatten ausgelegt. Die auf vier Stützen ruhende hölzerne Orgelempore, zu der zwei Holztreppen hinaufführten, stand an der Turmseite des Innenraumes.

An der neuen Kirche stellten sich schon bald bauliche Mängel ein. Zudem entsprach sie nach den Feststellungen Bruno Loewenaus in ihrer Größe auch nicht mehr den Anforderungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Schon im Jahr 1895 gab es Pläne für eine neue Kirche. Für den geplanten Neubau hatte Pfarrer Carl Koch bereits vor seinem Tode am 17. Dezember 1895 in Dülken 30.000 Mark in seinem Testament vermacht.

Diese von einem Münsteraner Architekten entworfene Kirche wurde jedoch niemals verwirklicht. Vielleicht lag es daran, dass im selben Jahr auch der Pfarrer Carl Koch starb, der als Initiator eines Kirchenneubaus angesehen wird. Wäre die Kirche damals nach den Plänen des Jahres 1895 gebaut worden, hätte sie noch ihre ehemalige Ost-West-Ausrichtung.

Fast zwei Jahrzehnte später brachen während einer Sonntagsmesse Teile des Kirchendaches ein. Stephan Schulzes Bericht aus dem Jahr 1990 lässt die Gründe für den Einsturz erahnen: „Das Fundament wurde zu wesentlichen Teilen mit dem Material der mittelalterlichen Vorgängerkirche hergestellt, der romanische Turm aus dem 12. Jahrhundert blieb ganz erhalten. Das Gewölbe der dreischiffigen Kirche wurde von Holzsäulen getragen. So kam denn schließlich, was kommen mußte.“ Mitglieder hätten berichtet, dass ganz unvermittelt ein Teil des Kirchendaches einbrach und auf die „Frauenseite“, also die linke Bankreihe, herabstürzte. Ernsthaft verletzt wurde damals niemand, die Kirche wurde jedoch einen Tag später baupolizeilich geschlossen.

Nun war Eile geboten. Der Kirchenvorstand nahm sich in seiner Sitzung am 18. November 1912 vor, vorab einige Kirchen zu besuchen, „um sich schlüssig zu werden, in welcher Stilart die neue Kirche ausgeführt werden soll.“ Der endgültige Baubeschluss wurde am 8. August 1913 gefasst. Der siebenköpfige Vorstand beschloss unter der Leitung des seit dem 7. Juni 1910 in Altschermbeck amtierenden Pfarrers Johannes Vrey, „die neue Kirche zu bauen nach den Plänen des Architekten Prof. Becker aus Mainz.“ 140.000 Mark wurden als Bausumme bewilligt.

„Am nächsten Sonntag-Nachmittag um 4 ½ Uhr wird Herr Dechant Sturmann von Osterfeld in feierlicher Weise den Grundstein zu unserer neuen Kirche legen“, schrieb die Dorstener Volkszeitung am 31. Juli 1914 und mutmaßte: „Der Bau, welcher schon mächtig gefördert ist, wird allem Anscheine nach ein schönes Gotteshaus, eine Zierde für unsern Ort werden.“

Nach der Grundsteinlegung am 2. August 1914 ging der Aufbau unter der Leitung des Mainzer Dombaumeisters und Architekten Ludwig Becker zügig voran. Wegen der größeren Ausmaße der neuen Kirche erfolgte eine Nord-Süd-Ausrichtung. Die Einweihung der neuen und heutigen Kirche erfolgte am 21. Dezember 1915 durch Bischof Johannes Poggenburg.

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