Hamminkeln Kanzler-Kandidaten auf'm Klosterplatz

Hamminkeln · Kabarettist Florian Schröder parodierte in Marienthal Merkel und Steinbrück. Er traf dabei den Nerv seines Publikums.

 "Surfen im Internet ist ein Überwasserhalten im Meer der Möglichkeiten." Florian Schröder ging mit seiner Generation hart ins Gericht.

"Surfen im Internet ist ein Überwasserhalten im Meer der Möglichkeiten." Florian Schröder ging mit seiner Generation hart ins Gericht.

Foto: Malz, Ekkehart (ema)

"Herzlich willkommen in Hamminkeln-Marienthal. Selten habe ich so viel Spaß gehabt beim Aussprechen des Ortes, in dem ich spiele", sagte Florian Schröder. Der Kabarettist freute sich sichtlich über das "volksnahe" Umfeld beim Marienthaler Abend auf dem Kirchplatz. "Ich spiele heute nur für das Kloster. Nachher in der Zugabe gibt es eine Papst-Parodie, die sich gewaschen hat", verkündete Schröder.

Das Marienthaler Publikum kam in der nun heißer werdenden Phase des Wahlkampfes in den Genuss zahlreicher Parodien von Angela Merkel bis Peer Steinbrück. Auch Namensvetter und Altkanzler Gerhard Schröder kam zu Wort, neben vielen anderen bekannten Stimmen aus Politik und Prominenz.

Schröder ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. In seinem Programm "Für alles offen und nicht ganz dicht" trat er für die "Völkerverständigung zwischen den Generationen" ein und nahm dabei fast jedes aktuelle politische Aufregerthema der letzten Wochen mit.

Dass Whistleblower Edward Snowden nicht in Deutschland Asyl gefunden hat, sondern in Russland, "einer sich selbst als Demokratie gebärdende Diktatur", hält er für ebenso skandalös wie die Tatsache, dass sich niemand so recht über die Spionage-Affäre aufregen mag. Stellung beziehen, Entscheidungen treffen — das ist für eine Generation von "chronischen Aufschiebern" und "Jein"-Sagern nahezu unmöglich.

"Ich habe mich entschieden, mich nicht mehr zu entscheiden", bekannte Schröder. Die Internet-Manie im Zeitalter von Youtube ("Fernsehen für Waldorfschüler") und Facebook sei symptomatisch für diese Entscheidungsunlust. "Surfen im Internet ist ein Überwasserhalten im Meer der Möglichkeiten", so Schröder. Während die einen ihre Kreativität "Schawatte" tragend bei Afterwork-Partys zur Schau stellen, in ewig banger Erwartung dessen, was die Zukunft bringen mag, führen andere längst ein Leben im Rückspiegel und bedauern ungenutzte Chancen.

Um die deutsche Seele ist es wahrlich nicht gut bestellt. "Vor einem Land, das Raucherquadrate unter freiem Himmel einführt, darf das Ausland durchaus wieder Angst haben", meinte der Kabarettist. Schröder lud zum Mitmachen ein und brachte das Selbstbewusstsein des Publikums auf Vordermann. Seine scharfen gesellschaftlichen Analysen, die sich durchaus auch mal einer deftigen Wortwahl bedienten, trafen das Komikzentrum des Publikums. Mit seiner Generation zwischen Design und Bewusstsein ging Schröder hart ins Gericht.

(krsa)
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