Wesel „Jedes Kind ist in Ordnung“

Wesel · 25 Jahre Integrative Kindertagesstätte Stralsunder Straße: Eine der ersten Einrichtungen in NRW, die mit Kindern in konzeptionell integrativen Gruppen arbeitete. Gehören auch zur Geschichte: der große Brand und Orkan „Kyrill“.

Der Mai ist eingezogen in die integrative Kindertagesstätte der St.-Mariä-Himmelfahrt-Gemeinde an der Stralsunder Straße. „Nichts wie raus in die Sonne“ lautet die Devise, ins Abenteuer-Spielgelände mit Burg und Vogelnestschaukel. Um Sprachtherapeutin Maria Westerheider herum hegen und pflegen gerade drei Kinder einige gerettete Zweige der großen, von „Kyrill“ vernichteten Korkenzieherweide. Die schlagen Wurzeln – fast ein Symbol: Der große Brand am 15. August 2004 verwüstete große Teile der Tagesstätte und alle mussten monatelang in den Kindergärten Antoni- und Gabainstraße Zuflucht suchen.

Im Jubiläumsjahr, 25 Jahre nach der Umwandlung des 1972 erbauten Kindergartens zur ersten integrativen Tagesstätte in Wesel, wird wieder „zuhause“ gefeiert: Am 2. Juni findet von 11 bis 17 Uhr ein Sommerfest mit tollen Attraktionen wie Zauberer, Hüpfkissen und Bimmelbahn statt. Neu gewandet präsentiert sich die Tagesstätte heute. Es wurde gründlich renoviert und angebaut. An Leiterin Elisabeth Görlich (56) ist in 28 Jahren Tätigkeit vieles vorüber gezogen. Auch 1995 trieb ein Brandstifter sein Unwesen. Solcher Vandalismus wirkte niederdrückend, konnte dem Team letztlich aber nicht die Freude am Erziehen rauben.

Das, was heute selbstverständliche gesellschaftliche Akzeptanz genießt, die gemeinsame Erziehung behinderter und nicht behinderter Kinder, nahm 1976 mit Kinderarzt Dr. Heribert Pauly vom Marien-Hospital seinen Anfang: er richtete eine Gruppe zur Förderung motorisch gestörter, entwicklungsverzögerter Kinder (MCP) ein und bekam tatkräftige Unterstützung von Dechant Otto van de Locht. Daraus erwuchs 1978 im Kindergarten eine kleine Sonderabteilung mit zwölf Kindern unter Leitung von Hildegard Werdt, einer der ersten anerkannten Heilpädagoginnen. 1982 wurden drei integrative Gruppen dann offiziell festgeschrieben. Eine gewachsene Sache also. Heute besuchen 45 Kinder die drei Gruppen, je fünf mit besonderem Förderbedarf. Fachkräfte unterstützen die Erzieherinnen. Besonders die Sprachtherapie gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Sprache ist das Kernthema

Westerheider stellt fest, das Thema Sprachverlust sei ohnehin negative Begleiterscheinung der Medienexplosion; beim motorisch gestörten Kind sei darüber hinaus meist eine besondere sprachliche Entwicklungsverzögerung zu bemerken. Die Förderung findet während des ganzen Kindergartentages im Nebenraum statt. Zur Aufgabe machte sich das Team nicht nur Entlastung der Familie, die fachkundige Hilfe nicht länger auswärts suchen muss und aufgrund von zehn Stunden Betreuungszeit an fünf Wochentagen Entspannung zuhause genießt; es ging auch um Vermittlung einer unverkrampften Einstellung.„Jedes Kind ist in Ordnung“, beschreibt Görlich es kurz und knapp.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort