Hamminkeln Issel: Gutes Schutzkonzept, Taten fehlen

Hamminkeln · 27 Einzelmaßnahmen sollen die Hochwassergefahr an der Issel bannen. Direkte Wasserableitungen in Lippe oder Rhein wurden in der Bürgerversammlung abgelehnt. Die Betroffenheit ist weiter groß.

 Viele Besucher kamen zu der Bürgerversammlung in die Friedenshalle Bürgerhaus.

Viele Besucher kamen zu der Bürgerversammlung in die Friedenshalle Bürgerhaus.

Foto: Joosten

Die Erfahrungen mit dem Doppel-Hochwasser an der Issel im vergangenen Jahr stecken noch in den Köpfen. Auch deswegen war die Friedenshalle Bürgerhaus proppenvoll, als der Kreis Wesel ein Dreivierteljahr nach den beiden Jahrhundertereignissen erstmals den Stand der Schutzmaßnahmen in einer Bürgerversammlung vorstellte. 27 Maßnahmenbausteine plus Wallsanierungen sollen die Issel in ihr Bett zwingen - von Deichneubau bis ökologischer Aufwertung, von neuen Überflutungsflächen bis zur Anbindung von Baggerseen.

Von konkreter Umsetzung und Eilbedürftigkeit war viel die Rede. Von schneller Realisierung mit umsetzungsfähigem Planungsstand und Finanzierung allerdings nicht. In der Veranstaltung ging es darum, dass Gesamtkonzept an der Issel für alle Anrainerkommunen vorzustellen. Demnach werden die Einzelvorhaben in ihrer Summe die Fluten absenken können. Große Lösungen wie die mehrfach an diesem Abend von Bürgern vorgebrachte Ideen, die Wasser durch neue Leitungssysteme direkt in Lippe oder Rhein zu verfrachten, wurden von den Experten als wirklichkeitsfern abgelehnt.

Michael Fastring von der Unteren Wasserbehörde führte durch die Veranstaltung, Joachim Steinrücke vom Gutachter-Büro Pro Aqua stellte das Issel-Konzept der Zukunft vor. Auf dem Podium saßen weitere Fachleute des Isselverbandes sowie des Kreises - obwohl dieser nach geänderter Rechtslage nicht mehr Entscheidungsträger für Hochwasserschutz ist, sondern die Regierungspräsidien Münster und Düsseldorf. Das Konzept mit den Maßnahmen in Ringenberg, Marienthal, Hamminkeln, Brünen, Dingden und Wesel-Obrighoven ist schlüssig. Fragen wie Finanzierung und Flächenverfügbarkeit sind darin nicht beantwortet. Aber die Computerberechnungen machen Mut, denn die Fluten werden bei Starkregen wie 2016 umverteilt und senken den Spiegel je nach Ortslage zwischen zehn und 50 Zentimeter ab. An einigen, nicht kritisch eingeschätzten Stellen steigt der Pegel. Dennoch: die Folgenbewertung ist komplex. Das zeigte Steinrückes Hinweis, dass die Rechner 15 Tage brauchen, um ein Modell durchzurechnen.

Der Wasserplaner ist mit Konzept überzeugt, dass die Issel durchaus zu beherrschen sei. Nur müsse man zügig beginnen und das Gesamtvorhaben realisieren. Parallel mehrere Maßnahmen zu starten war sein Kernpunkt. Dazu ist die deutsche Seite auch durch einen Staatsvertrag mit den Niederlanden gezwungen. Dort darf nur eine bestimmte Menge Isselwasser ankommen. Vor Ort dürfte dies weniger interessieren, hier wollen Anwohner geschützt werden. Marienthal, Brünen und Ringenberg werden von den Maßnahmen sehr profitieren. Für Dingden (Mumbecker Bach, Königsbach) ist eine Sonderlösung geplant, die auch Loikum entlasten kann. Eine Aufweitung der Issel auf zehn Kilometern Länge und die ökologische Verbesserung (Retentionsräume) auf 16 Kilometern sind vorgesehen.

"Wir müssen anfangen und jetzt in die Detailplanung gehen - und sehen, was parallel zu bauen ist", forderte Fastring. Die Bezirksregierungen müssten zügig prüfen. Und die noch nicht bezifferbare Finanzierung stemmen, wobei die Summe von 30 Millionen Euro durch den Saal geisterte. Bürgermeister Bernd Romanski lobte zwar die Informationsveranstaltung, hat aber seine Erfahrungen mit dem Behördendschungel (Kreise, Kommunen, Bezirksregierungen), verlangte die Verantwortlichkeiten festzulegen und zu klären, wer für die Umsetzung zu sorgen hat. Grundsätzlicher sah Johannes Flaswinkel (Grüne) die Lage. "Ich bin nicht zufrieden, dass die Konzeptvorstellung erst jetzt geschieht. Zu lange ist seit den Hochwassern vergangen", kritisierte er. Dies wies Fastring umgehend zurück. Immerhin: Es gab Hoffnung beim obligatorischen Hinweis des Mehrhoogers Flaswinkel auf die ungeklärte Situation am Wolfsstrang, der nur träge abfließt. Die Wasserspiegelabsenkung der Issel würde den Bach entlasten.

(RP)
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