Niederrhein Heilige und garstige Drachen

Niederrhein · Das Werk des Klever Schnitzers Dries Holthuys entwickelte sich zwischen 1480 und 1510. Er gehört zu den herausragenden Schnitzern des Niederrheins im Mittelalter. Seine Figuren schmücken die Kirchen der Region.

 Aus dem Xantener Dom: Das Haupt des Johannes entstand zwischen 1500 und 1505. Es liegt in einer Keramikschüssel aus Spanien von 1450.

Aus dem Xantener Dom: Das Haupt des Johannes entstand zwischen 1500 und 1505. Es liegt in einer Keramikschüssel aus Spanien von 1450.

Foto: arfi

Dries Holthuys gilt als genialer Schnitzer: Seine Heiligen, Drachentöter, Madonnen, Ritter und Prinzessinnen gehören zu den Höhepunkten niederrheinischer Holzschnitz-Skulptur. Sie sind Schätze in den Kirchen des Niederrheins. Das Klever Museum Kurhaus hat einige der wertvollen Mittelalter-Skulpturen in seiner Sammlung und wird sie zur Wiedereröffnung Anfang September im neuen Katharina-von-Kleve-Saal präsentieren.

Wie der Mann, der den feinen Schnitt ins harte Holz aus Eiche so perfekt beherrschte, aussah, weiß man nicht. Aber sein Name und seine Werkstatt sind urkundlich belegt. Der Klever Historiker Dr. Friedrich Gorissen konnte ebenso wie später Kleves damaliger Museumsdirektor Dr. Guido de Werd die Werke dem Namen zuordnen. Inzwischen vermutet man sogar, das Haus in Kleve, in dem der Bildhauer lebte, zu kennen: Am Klopberg, Ecke Große Straße, mitten in der Klever City, direkt unterhalb der Burg. Damals wohnten rund 4000 Menschen in der Mittelstadt, in der der Hof der Klever Herzöge residierte.

1495 zog Holthuys mit einem Lehrling nach Xanten, um dort oben im Gewölbe des Doms eine steinerne Madonna zu setzen. Die Muttergottes hatte er zuvor aus einem bei Wesel geförderten Sandstein geschlagen. Und eben genau das alles ist urkundlich in Rechnungen und Belegen festgehalten und sicherte die Überlieferung des Namens und der Werkstatt.

Holthuys war ein schwer beschäftigter, angesehener Künstler. Als das Klever Museum vor zehn Jahren eine beeindruckende Ausstellung mit Werken des Klever Holzbildhauers zusammenstellte, kamen neben den Figuren aus der Sammlung 50 Skulpturen aus den Kirchen des Niederrheins, aus deutschen und niederländischen Museen. Da ist der große, mächtige Christophorus aus Emmerich, der herrliche Jakobus-Altar aus Kalkar, eine Heilige aus dem Krefelder Museum oder auch Georg, der den Drachen erschlägt. Ein lockiger Ritter mit dunklem Harnisch und rot wallendem Mantel, zu Füßen des schweren Pferdes der gar garstig grausige Drache. Im Hintergrund die schöne Prinzessin, die Hände zum Gebet gefaltet. Es fehlt auch nicht eine Stadtkulisse mit zinnenbewehrter Stadtmauer und Turm. Der Georg steht in der Reeser Kirche.

In den Szenen und Figuren, die Holthuys aus Eiche schnitt, wird noch heute das Mittelalter lebendig. Bis hin zum Dernier Cri, der damaligen Mode mit ihren Armausschnitten, den Falten und Ausschnitten, den Ketten und dem Zierrat der Kleider. Schlank sind sie, feingliedrig, die Damen tragen in tausend Locken geworfenes Haar. Leider ist bis heute oft auch aus falsch verstandener Restauration in den vergangenen Jahrhunderten die ursprüngliche Fassung (Bemalung) verloren gegangen.

Die Eiche ist übrigens ein typischer Werkstoff für die niederrheinischen Holzbildhauer, die nicht Linde oder Nussbaum nahmen, das weicher und besser zu schnitzen ist. Holthuys steht nicht nur mit dem Material in der Tradition seiner Vorgänger, wie Meister Arnt von Kalkar. Er soll seine Kunst auch an den genialen Henrik Douverman weitergegeben haben.

Wann der Mann gestorben ist, weiß man nicht, auch sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt. Dafür zeugt sein Werk, das sich zwischen 1480 und 1510 entfaltete, von einer Zeit, als man noch an Drachen glaubte, die von ehrlichen Rittern erschlagen wurden, von einer Zeit, als Prinzessinnen noch gottesfürchtig waren.

(RP/ac)
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