Hunderte Stellen bedroht Hamminkelner Modeunternehmen Bonita beginnt mit Kündigungen

Hamminkeln · Für die Mitarbeiter des angeschlagenen Hamminkelner Moderiesen Bonita und das Personal in den Filialen ist der Ernstfall eingetreten. Hunderten soll gekündigt werden, 200 Geschäfte könnten schließen.

 Die Zentrale des Moderunternehmens Bonita am Kesseldorfer Rott in Hamminkeln.

Die Zentrale des Moderunternehmens Bonita am Kesseldorfer Rott in Hamminkeln.

Foto: Klaus Nikolei/Klaus NIkolei

Was sich im bereits zwei Jahre dauernden Sanierungsverfahren des Hamminkelner Modeunternehmens Bonita zuletzt immer mehr abzeichnete, droht nun zur Gewissheit zu werden. Nach Informationen unserer Redaktion kommt es zu einem radikalen Schnitt. 200 Filialen sollen geschlossen werden, viele davon zum Jahresende. Das gilt etwa für die Standorte in Wesel und Kleve. Zudem sollen insgesamt Hunderte Mitarbeiter aus der Zentrale in Hamminkeln und den Geschäften ihren Job verlieren.

Die betroffenen Mitarbeiter sind am Dienstag auf einer teils digitalen, teils analogen Betriebsversammlung über die Schritte informiert worden. Darin wurde ein Sozialplan angekündigt. Es soll eine Transfergesellschaft für Gekündigte geben. Mit den Kündigungen ist bereits am Mittwoch begonnen worden, wie unsere Redaktion aus Belegschaftskreisen erfuhr.

Das Unternehmen selbst dementierte das Vorgehen nicht. Bonita-Geschäftsführer Karsten Oberheide beantwortete ihm gestellte Fragen nicht, sondern überließ das einer Kölner PR-Agentur. „Bonita hatte sich dazu entschieden, den eingeleiteten Sanierungsweg mittels eines Schutzschirmverfahrens voranzutreiben und so die Restrukturierung trotz schwieriger Rahmenbedingungen erfolgreich abzuschließen“, teilte die Agentur für Bonita schriftlich mit. „Dafür müssen wir uns leider auch von unprofitablen Filialen trennen“, hieß es.

Zu den konkreten Zahlen der Kündigungen und Filialschließungen bezog Bonita keine Stellung. Lediglich, dass das Geschäft in Wesel „voraussichtlich zum Jahresende“ geschlossen werde, bestätigte das Unternehmen.

Bonita habe 2019 eine Restrukturierung eingeleitet, um das Unternehmen wieder stärker auf seine Kundinnen auszurichten. „Die konsequente Umsetzung des Sanierungskonzepts und insbesondere die qualitativen Veränderungen in den Kollektionen haben erste sichtbare Erfolge gezeigt“, hieß es in der Stellungnahme. „Bis Corona“ sei man auf einem guten Weg gewesen. „Vor allem die aufgrund der Pandemie erlassenen behördlichen Maßnahmen wie Geschäftsschließungen haben unsere Anfangserfolge leider zunichte gemacht.“

Am Firmensitz in Hamminkeln sollen bis zu 100 Mitarbeiter ihren Job verlieren. Teilweise könnten ganze Abteilungen aufgelöst werden. Außerdem soll das internationale Filialnetz stark ausgedünnt werden.

Unter anderem waren zuletzt alle mehr als 600 Filialen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in den Niederlanden und Belgien mit ihren mehr als 2000 Mitarbeitern auf den Prüfstand gestellt worden. Nur diejenigen, die profitabel arbeiten, sollten dauerhaft erhalten bleiben. Nun sollen etwa 200 Filialen mit rund 400 Beschäftigten geschlossen werden, was sich vielerorts schon an entsprechenden Hinweisen in den Schaufenstern ablesen lässt. Auch die Standorte in Wesel und Kleve sind davon betroffen.

Während einige Mitarbeiter bereits mit Eigenkündigungen auf die drohende Entlassungswelle reagiert haben, stehen andere recht nah vor dem Eintritt in den Ruhestand. Bonita ließ mitteilen: „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns gegenwärtig nicht zu den Einzelheiten von mehr als 600 Filialen äußern möchten, auch weil wir weiterhin um jeden Standort und jeden Arbeitsplatz kämpfen werden.“

Unterdessen sollen sich vier Investoren für die Übernahme von Bonita interessieren. Dabei soll es sich nach Informationen unserer Redaktion um ein Unternehmen aus der Schweiz und eins aus Schweden sowie um einen deutschen Investor handeln. Außerdem soll es den Plan eines Management-Buy-outs geben. Demnach könnte Geschäftsführer Oberheide mit drei Kollegen das Unternehmen kaufen. Das würde offenbar aus Kreisen der Belegschaft begrüßt, weil dann ein persönlicher Eigentümer die Geschicke lenkt und keine entfernte, anonyme Gesellschaft. „Auch zum Stand des Investorenprozesses wollen wir uns an dieser Stelle nicht äußern und bitten um Ihr Verständnis“, teilte Bonita dazu mit.

Bonita gehört zur Hamburger Modefirma Tom Tailor Holding SE. Die Muttergesellschaft hatte im Juni einen Insolvenzantrag gestellt, weil der Hamminkelner Tochter die Zahlungsunfähigkeit drohte und konzerninterne Verpflichtungen daraufhin die gesamte Gruppe gefährdeten. Mittlerweile hat Tom Tailor seine andere Konzerntochter Tom Tailor GmbH an den chinesischen Fosun-Konzern verkauft. Die GmbH war von den Problemen ohnehin nicht betroffen, weil ihr die Bundesregierung und die Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen eine Bürgschaft in Höhe von 100 Millionen Euro zugesagt hatten. Die besicherte Finanzierung hat eine Laufzeit bis Ende September 2024.

 Karsten Oberheide ist Geschäftsführer von Bonita.

Karsten Oberheide ist Geschäftsführer von Bonita.

Foto: Sabine Skiba

Das machte den Verkauf an die Chinesen leichter. Bei Bonita sieht das nun ganz anders aus. Wie viele andere Modeunternehmen ist die Kette auch durch den Online-Modehandel unter Druck geraten. Dann kamen die Corona-Krise und mit ihr die erzwungenen Ladenschließungen. Für den Bekleidungshandel in Deutschland wurde schon vor Monaten für 2020 ein Umsatzminus von 30 Prozent vorausgesagt – eine düstere Perspektive.

(her/gw/fws)
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