Kommentar Zur Woche Gutachteritis lähmt unsere Städte

Wesel · Wenn Sie dem Nachwuchs einen Job mit Perspektive aufzeigen wollen, empfehlen Sie ihm, Gutachter zu werden. In Wesel ist man da vielbeschäftigt. Überall in dieser Stadt stocken Projekte, weil Gutachter erst begutachten und dann daraus Gutachten erstellen.

Und das dauert...

Das unglaublichste Beispiel ist in dieser Hinsicht die zu glatte Theodor-Heuss-Brücke, redaktionsintern nennen wir sie übrigens nur noch die Problembrücke. Kaum zu glauben: Da werden Rad- und Fußweg auf einer Brücke erneuert und am Ende erweist sich der Belag als zu glatt. Vor einer Woche purzelten Radfahrer bei Nässe plötzlich reihenweise um. Seitdem wird munter begutachtet, und weil das beim ersten Mal nicht so gut gelang, muss man jetzt neu begutachten. Hinter vorgehaltener Hand erfährt man aus dem Rathaus, dass die bauausführende Firma wohl irrtümlich zunächst den Sand aufgetragen, erst dann Farbe drübergekippt hat, und das auch noch recht üppig. Wundert es, dass dieser Belag nicht bremst? Man könnte jetzt einfach sofort nachbessern. Stattdessen will keiner der Verursacher sein; auch bei der Stadt gab es übrigens keine funktionierenden Prüfmechanismen. Die Brücke war freigegeben, bevor die Stadt überhaupt erst kontrollierte. Also wird begutachtet.

Ein zweiter Fall, in dem die Gutachteritis die Stadt lähmt, ist die Kreuzstraße: Mit aufwändigen Verkehrszählungen versuchte ein Gutachter im Stadtentwicklungsausschuss zu beweisen, dass eine Abbiegespur zur Belieferung des Esplanade-Centers keine großen Stauungen hervorrufen würde. Wer einmal die Kreuzstraße entlang gefahren ist, der wüsste, dass eine Ampel für Lkw-Anlieferer dort zu einem Verkehrschaos führte - eine Gefahr für Fußgänger wäre es obendrein. Der Gutachter sollte hier etwas beweisen, was gesunder Menschenverstand für falsch erachtet. Seit Monaten wartet Wesel übrigens auch auf ein Strömungsgutachten zum Kombibad. SPD-Fraktionschef Hovest sagte am Freitag: "Das Strömungsgutachten wird positiv ausfallen, seien Sie sicher." Auftraggeber und Finanzier ist die Stadt. Wundert einen das wahrscheinliche Ergebnis des Gutachtens?

Ihre Meinung? Schreiben Sie: Sebastian.Peters@rheinische-post.de

(RP)
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