Geschäfte in Wesel Der etwas andere Laden wird 50 Jahre alt

Wesel · Firlefanz, vormals Der Laden, feiert Jubiläum. Das Geschäft ist immer noch bunt, wirkt alternativ und riecht nach Räucherstäbchen. Doch vor allem bietet es heute schöne Textilien. Ein Blick in die Vergangenheit.

 Elke Verlande feiert am Samstag das 50-jährige Bestehen ihres Geschäfts an der Schmidtstraße 13.

Elke Verlande feiert am Samstag das 50-jährige Bestehen ihres Geschäfts an der Schmidtstraße 13.

Foto: Fritz Schubert

Zurück in die 70er: Ein Besuch bei Elke Verlande ist für eine bestimmte Generation wie eine Begegnung mit der eigenen Jugend. Und mit einer Zeit, in der diese Jugend anders sein wollte als jede vor ihr. Das mag vermessen klingen, weil das vermutlich jede Generation für sich in Anspruch nimmt. Aber kurz nach Woodstock spielten sich eben allerlei prägende Revolutionen ab. Politisch, kulturell und nicht zuletzt modisch.

Elke und Peter Verlande haben in Wesel dazu beigetragen, dem besonderen Lebensgefühl Ausdruck zu verleihen. Ihr Geschäft Der Laden bot das, was damals in weitem Umkreis nicht zu bekommen war: Jesuslatschen, Madras-Hemden aus Indien, Lavalampen, Poster, Hängematten, alles rund um den Tee und Räucherstäbchen. Am Samstag, 6. November, wird das einstige Mekka der Blumenkinder an der Schmidtstraße Ecke Torfstraße 50 Jahre alt. Längst heißt es Firlefanz und hat zum Großteil exklusive Mode im Angebot. Aber nach Räucherstäbchen riecht es noch immer und die Geschichte des etwas anderen Ladens schwingt weiterhin mit.

Der Einzugsbereich der Kundschaft reichte von Emmerich und Bocholt bis Dinslaken. Die meisten jedoch kamen zu Fuß oder mit dem Rad. Das Mädchengymnasium – heute Andreas-Vesalius-Gymnasium – lag um die Ecke. Zudem das Jungengymnasium – damals am Herzogenring, heute Konrad-Duden-Gymnasium in der Feldmark – und die Realschule. Der Laden zog die jungen Leute ab 1971 geradezu magisch an. Er war schon deshalb anders, weil er kreisrunde Fenster hatte, die Fassade mit Holzschwarten rustikal verkleidet und die Einrichtung Marke Eigenbau war, außerdem im Nebenraum Tee ausgeschenkt wurde. „Für 20 Pfennig die Tasse“, wie Elke Verlande (76) sich erinnert.

Die Teestube, in der jeder auch seine selbstgemachten Bilder ausstellen konnte, wurde zum Treffpunkt und schürte schnell den Argwohn der Eltern. Wegen einer fehlenden Toilette gab es auch keine Sitzmöbel und den Tee nur auf die Hand. Also setzte sich das Publikum auf den Boden. „Zum Schrecken der Eltern, die fürchteten ihre Kids seien in einer Drogenhölle gelandet“, schildert Peter Verlande (78), der heute als Rentner und freischaffender Künstler in Hennef lebt. Die Sorgen waren unbegründet. „Das hätte ich sofort gerochen“, sagt Elke Verlande. Nach zwei Jahren wurde der Raum zur Modeboutique umfunktioniert. Außerdem und ebenfalls heute noch im Repertoire waren ausgefallene Geschenkartikel und Wohnaccessoires, Spiele, trendige Saisonprodukte, Kuriosa aus Blech, Scherzartikel, Duftöle, Henna, Traumfänger und vieles mehr. „Für mich ist es bis heute das zweite Wohnzimmer und musste natürlich gemütlich sein“, sagt Elke Verlande.

 Kreisrunde Fenster und Holzschwarten zum Start 1971

Kreisrunde Fenster und Holzschwarten zum Start 1971

Foto: Archiv Verlande

Bunter, schräger und lustiger sollte es sein. Der Schritt in die Selbstständigkeit im Einzelhandel war für den Elektroingenieur und die gelernte Speditionskauffrau, die zuletzt als Sachbearbeiterin im Finanzamt gearbeitet hatte, vor 50 Jahren ein Abenteuer. 1980 öffnete eine Filiale in der Fußgängerzone. Schöne Dinge aus aller Welt hieß sie, lag am heutigen Leyensplatz und bot vor allem Wohnzubehör und Möbel. Als Peter Verlande sie 1991 schließen musste, übernahm seine Exfrau Elke den Ursprungsladen und führte ihn unter dem neuen Namen Firlefanz weiter. Selbstständigkeit ist für sie gleichbedeutend mit Freiheit. Schon oft hat die heute 78-Jährige gesagt, dass sie das Geschäft gerne an einen Nachfolger übergeben würde. Ihre Enkelin (12) sei aber noch zu jung und sie selbst stellt fest, dass der Laden sie jung hält, zur Kundschaft „nur liebe, nette Leute“ zählen.

Zurück in die 70er? Ja. Ein Besuch bei Elke Verlande hat etwas Nostalgisches. Aber angestaubt ist da nichts. Das Sortiment ist neu – und immer etwas anders.

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