Wesel Ganzheitlicher Kopfarbeiter
Wesel · Der Weseler Friseurmeister und Diplom-Psychologie Mike Bachmann (37) eröffnet Anfang Juli sein Concept-Studio Biohemian.
Am Samstag, 2. Juli, eröffnet in Wesel ein Friseursalon, wie es ihn in dieser Form in der Region sicher kein zweites Mal gibt. Inhaber Mike Bachmann spricht deshalb auch nicht von einem Salon, sondern vom "concept-studio for a fulfilling life experience" mit dem Namen Biohemian. Dahinter verbirgt sich ein ökologisch ausgerichteter Friseurbetrieb, dessen Chef auf Wunsch als Coach und Ernährungsberater tätig ist - sozusagen als Leiter eines Kompetenzzentrums für ganzheitliche Kopfarbeit.
Bioheminan - eine Mischung aus Bio und Bohemian - klingt international, stylish und exzentrisch zugleich. Und nahezu unglaublich klingt, welche Qualifikationen der 37-jährige Existenzgründer, der in Essen geboren, in Wesel aufgewachsen und nach Stationen in Köln, Berlin und Potsdam vor einigen Jahren in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist: Friseur-Meister, Diplom-Psychologe, Systemischer Coach und veganer Ernährungsberater. Außerdem erwarb er berufsbegleitend die Qualifikation zum Heilpraktiker Psychotherapie.
Vor kurzem hat Mike Bachmann die Abdeckfolie vom Schaufenster seines angemieteten Ladenlokals an der Blankenburgstraße 31 - hier hatte einst der zum Breiten Weg abgewanderte Friseursalon Haareszeiten seinen Standort - abgenommen und gibt den Blick frei auf Biohemian. Zwei Haarwaschbecken sind bereits installiert, ebenso Spiegel, die Beleuchtung. Auf dem brauen Ledersofa gegenüber einer Dschungel-Fototapete bittet Mike Bachmann seinen Gast Platz zu nehmen. Denn es gibt viel zu besprechen.
Beispielsweise, was jemanden bewegt, das pulsierende Berlin zu verlassen und wie man sich einen Friseur vorstellen muss, der gleichzeitig auch als Psychologe und veganer Ernährungsberater arbeitet? Kalorienzählen beim Färben mit Naturprodukten? Lebenshilfe beim Föhnen?
"Ich mag den Niederrhein sehr gerne, die Natur und die Menschen. Von hier aus ist man wirklich schnell im Ruhrgebiet, in Düsseldorf, Köln und Amsterdam", sagt Mike Bachmann. "Die Region bietet eine gute Lebensqualität zu erschwinglicheren Konditionen als in der Hauptstadt. Die Zeit ist reif, anzukommen." Wäre das also schon mal geklärt. "Natürlich", erzählt er weiter, "werde ich mich gerne beim Haareschneiden mit meinen Kunden austauschen, aber meine Serviceleistungen wie systemisches Coaching, vegane Ernährungsberatung sowie psychologische Beratung sind separat zu terminieren. Angedacht ist, dass jeder Kunde die Dienstleistungen für sich auswählt, die ihn dabei unterstützen sollen, ein positiveres Lebensgefühl zu entwickeln und das persönliche Wohlbefinden zu stärken."
Keinen Preisunterschied gibt es übrigens zwischen Frauen und Männern. Bei ihm zahlen die Kunden nach Aufwand in Abhängigkeit der Haarlänge - anders als bei fast allen anderen Friseuren. Dass er vor seinem Psychologie-Studium eine Friseurlehre begonnen und erfolgreich beendet hat, war eher Zufall. "Um direkt studieren zu können, war der NC zu hoch, mein Abitur am Weseler Andreas-Vesalius-Gymnasium zwar gut, aber nicht gut genug. Also habe ich überlegt, was ich zunächst Sinnvolles tun könnte."
Fotograf, Schneider, Veranstaltungstechniker oder Friseur möchte er werden. Als er eine passende Lehrstelle in Köln findet, greift er zu. Da ist er 20. Sein Plan damals ist, nach Ende der Lehrzeit nach Bonn zur Uni zu wechseln. Doch es kommt anders. Seine Ausbildung schließt er als Innungsbester ab. Gleichzeitig ergibt sich die Möglichkeit, ein Stipendiat der Begabtenförderungsstiftung der Kölner Handwerkskammer zu bekommen. Mike Bachmann ergreift die Chance. Nebenberuflich absolviert er die Meisterschule, die er mit der Note sehr gut in allen vier Prüfungsfächern abschließt - eine Seltenheit.
Und es kommt noch besser. Die Innung unterbreitet dem frischgebackenen Meister ein, wie er sagt, "unmoralisches Angebot": "Ich konnte in einem Elite-Ausbildungscamp in Berlin bei Promifriseur Hans-Jürgen Dzwikowski sechs Monate lang im High-End-Segment mein Können verfeinern." Und auch im Elitecamp zeigt Mike Bachmann, was er kann und gewinnt den Golden-World-Award - einen großen, gläsernen Pokal, der lange im Keller stand und nun im Studio seinen neuen Platz gefunden hat.
Das Angebot von Dzwikowski, in Asien eine Friseurschule zu leiten, schlägt er aus. Denn in Potsdam kann der mittlerweile 27-Jährige endlich seinen Traum vom Diplom-Psychologiestudium verwirklichen. Neben dem Studium sammelt er reichlich Praxiserfahrung in einem Autismus-Forschungsprojekt und kehrt im Sommer 2011 nach Wesel zurück, um hier seine Diplom-Arbeit zu schreiben. Weil er sich hier, wo seine Familie und alte Freunde wohnen, wohlfühlt, kehrt er der Hauptstadt den Rücken und zieht zurück in die Heimat. Im April 2012 findet er im Berufstrainingszentrum Duisburg eine Anstellung, wo er aktuell noch tätig ist. "Wenn ich zurückblicke, dann ändert sich alle fünf Jahre etwas in meinem Leben. Und jetzt ist es der Schritt in die Selbstständigkeit", sagt er.
In seinem Concept-Studio Biohemian möchte Mike Bachmann alle seine Talente bündeln: "Es ist die Fusion aller meiner Kernkompetenzen." Und er hofft natürlich, mit seiner ungewöhnlichen Art der Dienstleistung dauerhaft erfolgreich zu sein. Der Start jedenfalls dürfte glücken. Denn viele seiner Freunde und Bekannten haben sich bereits einen Termin gesichert. "Ich hoffe, auch Kunden zu gewinnen, die bislang vielleicht noch in die Großstädte zum Friseur fahren. Das brauchen sie künftig nicht mehr", sagt er selbstbewusst.
href="http://www.biohemian.de" target="_blank" rel="nofollow">www.biohemian.de