Was Besucher wissen sollten Fünf Tipps zum Historischen Hansefest

Vesalia hospitalis · Das 26. Weseler Hansefest steht im Zeichen der Jagd im Mittelalter und macht Lust auf Geschichte zum Anfassen. Es lebt von ehrenamtlichem Engagement. Die RP stellt Höhepunkte, Angebote und Hintergründe vor.

Bereit für die Eröffnung: Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (rechts neben dem Trommler) mit Akteuren vor dem Gang zum Feststart am Berliner Tor

Bereit für die Eröffnung: Bürgermeisterin Ulrike Westkamp (rechts neben dem Trommler) mit Akteuren vor dem Gang zum Feststart am Berliner Tor

Foto: Fritz Schubert

Seit Freitag läuft in Wesel das 26. Historische Hansefest. Es ist ein liebgewonnenes Spektakel der besonderen Art. Geschichtsfreunde kommen ebenso auf ihre Kosten wie kulinarisch interessierte Gäste, Familien mit Kindern oder Leute, die sich gern von Stand zu Stand treiben lassen. Einige Veranstaltungen beziehungsweise Angebote ragen heraus. Wir geben fünf Tipps.

1.Der Umzug Wenn das Wetter mitspielt, steht einem stimmungsvollen Wochenende nichts im Wege. Besonders dem Umzug an diesem Samstag, 26. Oktober, ab 18.30 Uhr sind gute Bedingungen zu wünschen. Er krönt das Fest, weil die ehrenamtlichen Akteure der Hansegilde Wesel um Ludwig Maritzen samt eigener Ritterschar in ihren Gewandungen – auf den Begriff legen sie großen Wert – von etlichen ebenfalls zünftig gekleideten Mitstreitern der Marktstände, Gauklern, Musikanten und Fackelträgern begleitet werden. Start ist das Berliner Tor, Ziel der Große Markt. Bürgermeisterin Ulrike Westkamp nebst Gemahl führt den Tross an. Als herausragende historische Gestalten werden Herzog Adolf von Kleve und seine Frau Maria von Burgund dargestellt. Für den Auftritt deren Tochter Katharina von Kleve (1417-1476) und ihres Hofstaats sorgen Gäste aus Nimwegen. Sie ließ das berühmte Stundenbuch mit 157 Miniaturen anfertigen, das heute in New York (Morgan Library & Museum) liegt. Mitwirken wird auch der Bürgerverein Brünen.

2. Das Thema  In diesem Jahr dreht sich für die Hansegilde alles um die Jagd im Mittelalter. Schauplatz ist das Berliner Tor. Da werden selbst gefertigte Waffen wie Pfeile und Bogen gezeigt, Tierpäparate teils beachtlicher Ausmaße ausgestellt und es wird viel zur geschichtlichen Einordnung des Jagdrechts und den unterschiedlichen Methoden des Waidwerks erklärt. Jagdhornbläser treten auf. Es gibt Wildprodukte und für alle Altersgruppen ein Bogenschießen. Außerdem können Greifvögel hautnah erlebt werden.

3.Die Märkte Heute von 10 bis 19 Uhr und morgen von 11 bis 18 Uhr (verkaufsoffener Sonntag 13 bis 18 Uhr) steht natürlich auch das im Mittelpunkt, was die Hanse wesentlich prägte: der Handel. Es gibt einen historischen Bauern- und Mittelaltermarkt sowie die traditionelle Hansemeile, auf der sich Hansestädte mit ihren Spezialitäten und Besonderheiten präsentieren. Diesmal dabei sind Brilo, Dorsten, Emmerich, Haltern, Hattingen, Kalkar/Grieth, Medebach, Mühlhausen, Neuss, Salzwedel, Soest, Stralsund, Warendorf und Wipperfürth. Gastgeber Wesel ist ebenso vertreten wie die niederländische Hanse.

4. Der Überblick  Wer das Hansefest von oben sehen möchte, der kann den Wasserturm an der Brandstraße besichtigen und besteigen. Heute und morgen ist das von 14 bis 18 Uhr möglich. Das Technische Denkmal hat eine Aussichtsplattform.

5. Das Eintauchen Veranstaltungen wie das Hansefest wecken oft das Interesse an den geschichtlichen Hintergründen. Die Mitglieder der Hansegilde und andere Akteure geben dazu gerne Auskunft. Etwas Basiswissen zum Eintauchen in Wesels hanseatische Historie liefern wir hier vorab:

Wesel, 1241 zur Stadt erhoben, hatte wegen seiner besonderen Lage am Zusammenfluss von Rhein und Lippe über Jahrhunderte eine herausgehobene Stellung in den klevischen Landen. So gab es auch vor 1407 hanseatische Verbindungen, taucht in der Literatur doch öfter der Begriff „Wiederaufnahme“ auf. Und es gibt Hinweise auf frühen Fernhandel. In Lübeck wird bereits 1259 ein Hence Wesele genannt, 1317 ein Johann de Wesele. In Rostock, Stralsund und Reval werden ebenso bereits im 13. und 14. Jahrhundert Menschen mit Wesel im Namen in Akten verzeichnet. Ab 1406 nahm das Projekt richtig Gestalt an. „An einem Septembertag“, so steht es in einer Chronik aus Zwolle, „fuhren Abgeordnete der Städte Zwolle, Duisburg und Wesel nach Amsterdam, wo gerade Abgeordnete der Hanse Besprechungen mit Holland und England führten. Die drei Städte baten, wieder in den Hansebund aufgenommen zu werden.

Das Anliegen wurde nicht abgewiesen, sollte aber zunächst bei einem allgemeinen Hansetag auf die Agenda. So kam es 1407 in Lübeck, dem Haupt der Hanse, zu dem entscheidenden Federstrich, der Wesel fast ein Drittel des städtischen Etats kostete: 584 Rheinische Gulden. Das Geld ging für Reisekosten, Bewirtung und Geschenke drauf, war aber sehr gut angelegt. Niederrheinische, westfälische und ostniederländische Städte spielten bald die entscheidende Rolle in der Hanse. Und Wesel lag mitten drin, was der Stadt ihre Spitzenposition als Tagungsort einbrachte. Für alle Teilnehmer des sogenannten Kölner Hansedrittels war es ein gleich gut erreichbarer Ort. Wesel wurde reich und bedeutend, war nach Köln, Aachen und Neuss viertgrößte Stadt im Rheinland. In Wesel wurde vieles beraten und entschieden. Im September 1461 etwa ging es um das Kontor in London und die Gesandtschaft nach Frankreich, im August 1518 um die Kontore in Nowgorod und Brügge, um Zölle in Burgund und um die Situation in Holland oder 1564 um den Kölner Weinhandel, französische Privilegien und den Krieg Lübecks mit Schweden.

Die 1669 – vor 350 Jahren – mit dem letzten Hansetag in Lübeck entschlafene Verbindung, wurde 1980 von Zwolle wieder aufgeweckt. Allerdings vergaß ausgerechnet diese Stadt, die einst mit Wesel um Aufnahme gebeten hatte, nun den alten Partner einzuladen. Das brachte Zwolles Bürgermeister Gauke Loopstra den Eselorden ein. Wie verankert Wesel im Hansebund der Neuzeit ist, zeigte sich bei der 750-Jahr-Feier der Stadt 1991: Gastgeber für 96 Delegationen aus neun Nationen. 2007 – 600 Jahre nach dem (Wieder-)Eintritt – war Grundsteinlegung zur Rekonstruktion der Rathaus-Fassade. Der 1945 zerstörte Bau war über Jahrhunderte Ausdruck auch des Kaufmannsstolzes.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort