Wesel Frische, Nähe und Stars, die Ambiente lieben

Wesel · Fünf Jahre Sommerton am Schloss Diersfordt: Die ehrenamtlichen Veranstalter haben das musikalische Kleinod in der Nische etabliert.

 Volker Pypetz, Angelika Patt und Wilfried Schaus-Sahm (von links) vereinen Neuentdeckungen und Altmeister,

Volker Pypetz, Angelika Patt und Wilfried Schaus-Sahm (von links) vereinen Neuentdeckungen und Altmeister,

Foto: Ekkehart Malz

Manchmal kommen Angelika Patt, Volker Pypetz und Wilfried Schaus-Sahm aus dem Staunen nicht heraus. Seit fünf Jahren gibt es das Sommerton-Festival am Schloss Diersfordt mit dem fast verschämt kleingedruckten Zusatz "bei Wesel" auf dem Programmheft. Was zwar ambitioniert begann, war gleichzeitig ein unsicherer Start und ein schwer einschätzbares Wagnis. Doch die ehrenamtliche, musikbegeisterte Gruppe hat die Wegstrecke bis ins fünfte Jahr gemeistert. Ein wenig ungläubig freut sie sich, dass Sommerton sich als Qualitätsmarke etabliert hat. Auch die Stadt hat das nach Anlaufschwierigkeiten bemerkt und staunt mit. Jeweils am letzten August-Wochenende, in diesem Jahr vom 26. bis 28. August, wird Wesel zum Anziehungspunkt von Jazz- und Musikfreunden und - was heißt das eigentlich? "Wir bieten Musik aus vielen Orten der Welt und wollen durch Qualität überzeugen", sagt Schaus-Sahm. Auf jeden Fall ein Festival, dass Neuentdeckungen und Altmeister vereint in einem Programm der besonderen Klasse.

Wobei das Schloss und das Ambiente eine besondere Rolle spielen. Das Musikzelt im Schlosshof ist umgeben vom Cottage, in dem der Empfang und die Bewirtung stattfinden, und Hofgebäuden. Wer den Zelteingang durchschreitet, findet sich in einem Konzertsaal wieder. Teppichboden, hochwertige Bestuhlung, eine Soundanlage vom Feinsten und auch Teuersten - Qualität, so Angelika Patt, solle überall zu spüren und zu hören sein. Die Musiker loben die Klangkraft, die auch ein Argumente ist, die Solisten und Gruppen zu überzeugen, ausgerechnet im idyllischen Diersfordt aufzukreuzen. Die Atmosphäre und das stimmige Drumherum wissen die Akteure ebenfalls zu schätzen. Wie beispielsweise der polnische Starpianist Leszek Mozdzer, sonst Gast in großen Häusern.

Meist lassen sich die Stars direkt vom Auftritt ins Hotel bringen, dieser Service ist Vertragsbestandteil. "Der Pianist aber sah sich um, ging zu einem Apfelbaum, pflückte sich eine Frucht. Er war so losgelöst und fröhlich bei uns. Die Künstler bleiben und treffen sich, das gehört zu Sommerton", erzählt Pypetz. Überhaupt, so Programmmacher Schaus-Sahm, sei die Situation im Zelt so, dass Nähe zwischen Instrumentalisten und Zuhörern entstehe - ganz anders als die Distanz in den Konzerthäusern. Der Ruf des Festivals ist auch in die Region gedrungen. 80 Prozent der Besucher stammen mittlerweile von hier, 20 Prozent kommen aus ganz Deutschland. Bis vor kurzem war das Verhältnis noch umgekehrt. Auch bei der Stadt Wesel hat man den (Werbe-)Wert erkannt, ohne sich finanziell beteiligen zu müssen. Ursache ist wieder Leszek Mozdzer. Der ist in seiner Heimat Polen ein Nationalheld, und der Bürgermeister von Wesels polnischer Partnerstadt Ketrzyn staunte gegenüber der Verwaltung, dass ein solcher Könner am beschaulichen Niederrhein auftrat. Und eilte selbst herbei.

"Frische, Nähe, große Qualität - das ist unser Alleinstellungsmerkmal", glaubt Schaus-Sahm. Anders gesagt mit Blick auf die Spielstätte: "Außen rustikal und gemütlich, innen im Konzertzelt professionell und feierlich." Das Qualitätsversprechen 2016 erfüllen zum Beispiel Richard Galliano, der Akkordeon-Zauberer, oder das Duo Stockhausen & Snetberger. "Drei unserer Musiker finden sich im Katalog der Elbphilharmonie, zwei unserer Virtuosen spielten gerade im ausverkauften großen Saal der Berliner Philharmonie", sagt Angelika Patt mit Stolz. Fehlt nur der Hinweis auf die Rokoko-Schlosskapelle, in der Jahr für Jahr 125 Schnellentschlossene dass Sommerton-Abschlusskonzert erleben können. In einem klangstarken historischen Kirchenraum, in einer speziellen Situation. Jean-Louis Matinier und Marco Ambrosini sind diesmal zu hören. Das Konzert ist schon ausverkauft. Tickets für die anderen Veranstaltungen gibt es noch. Eingeladen ist auch eine Gruppe Flüchtlinge, die in Bocholt wohnt. Sie werden in Diersfordt eine neue Welt für sich erleben.

(RP)
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