Schermbeck Fotoanalyse: Ist GW954f ein Hybrid-Wolf?

Kreis Wesel · Ein bundesweit und international tätiger Wolfsexperte hat die Bilder der Niederrhein-Wölfin untersucht.

 Dieses Foto von GW954f schoss eine Jägerin bei Hünxe. Ist es ein Hybrid-Tier? Die Anzeichen mehren sich.

Dieses Foto von GW954f schoss eine Jägerin bei Hünxe. Ist es ein Hybrid-Tier? Die Anzeichen mehren sich.

Foto: dpa/Sabine Baschke

Die Fotos, welche die Weseler Jägerin Sabine Baschke im Rahmen einer Drückjagd auf Rot- und Schwarzwild am 1. Dezember von der Leiter eines Hochsitzes aus im Hünxer Wald als Schnappschüsse mit ihrem Handy erstellte, interessieren jetzt auch einen international vernetzten Wolfsexperten. Handelt es sich wirklich um einen reinrassigen Wolf? Bisher schien dies eindeutig der Fall zu sein. Das Landesumweltamt verwendet diese Bezeichnung für die Wölfin „GW954f“. Auch auf der landeseigenen Internetseite wird immer wieder von einem Wolf ausgegangen.

Die Dauerbezeichnung „Wolf“ in den Berichten des Lanuv und der Anblick der am 1. Dezember entstandenen Wolfsfotos haben das Interesse des national und international tätigen Wolfsexperten Wernher Gerhards geweckt. Die Unterscheidung des Lanuv zwischen „Wolf“ oder „nicht Wolf“ erschien dem Wissenschaftsjournalisten, gerichtlich zugelassener Wolfs-Sachverständigen, Verhaltensbiologen, Wildtierbeauftragten und Fachbuchautor zu einfach, weil – absichtlich oder unabsichtlich – die Existenz eines Hybriden ausgeschlossen wird.

Die Kenntnisnahme der am 1. Dezember entstandenen Fotos nahm Gerhards zum Anlass, im Rahmen einer Fotoanalyse die Frage zu klären, ob tatsächlich ein Wolf fotografiert wurde. Insgesamt hat er 18 Körper-Parameter beurteilt. Dazu gehörten der Kopf, der Rücken und der Bauch ebenso wie die verschiedenen Teile der Beine. Obwohl die etwas verschwommenen Fotos in der Qualität nicht optimal sind, konnte Gerhards einige wichtige Funktionen auf dem Bild erkennen, um seine Zweifel zu begründen, diesen Caniden (Tier aus der Hundefamilie) als echten Wolf zu bewerten.

„Dieser Canide ist zu 100 Prozent kein echter Wolf“, fasst Gerhards seine dreiseitige Analyse zusammen, die unserer Zeitung vorliegt. Ebenso sicher stellt der Experte fest: „Dieser Canide ist zu 100 Prozent kein Hund“. Dann fasst er seine Fotoanalyse zusammen mit der Feststellung, dass der abgebildete Canide ein 100-prozentiger Wolf-Haushund-Hybride sei. Das Land widerspricht ihm allerdings. Es sei ein Wolf, das würden Analysen beweisen.

Gerhards hat die Fotos auch im Hinblick auf die Medienformulierung untersucht, dass der fotografierte angebliche Wolf trächtig sei. „Die Ranzzeit beginnt Anfang Dezember“, stellt er fest. Die Fotos vom 1. Dezember könnten also keinen trächtigen Wolf im fortgeschrittenen Stadium zeigen. Den abgebildeten Hängebauch bewertet Gerhards als ein Zeichen dafür, „dass diese Wölfin einen vollgeschlagenen Magen hat, welcher sich speziell bei Wölfen derart signifikant auswölben kann.“ Mit dieser Beobachtung schließt er auch einen reinen Hund aus: „Bei einem Hund wäre das anatomisch nicht möglich.“

In einem weiteren Schritt befasste sich Gerhards mit anatomischen Besonderheiten. Das abgebildete Tier besitzt einen kurzen Körperrahmen, „was auf eine erhöhte Sprungkraft im Vergleich zu Berg- und Steppenwölfen schließen lässt.“ Diese erhöhte Sprungkraft würde zu der Beobachtung von Tierhaltern passen, die gemeldet hatten, dass der Wolf selbst zwei Meter hohe Zäune übersprungen hatte.

Nach der Behauptung des Wolfsexperten, dass das fotografierte Tier ein Wolf-Haushund-Hybride sei, sind nun die für das Wolfsgebiet Schermbeck zuständigen Behörden gefragt, weil die Antworten entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Frage, ob Wolf oder Hybrid, ist für die Bewertung des Tieres und der Konsequenzen nicht unwichtig. Das von Hybriden ausgehende Gefahrenpotenzial für Menschen und Tiere wird wesentlich höher bewertet als die von Wölfen ausgehenden Gefahren. Entsprechend anders fallen die Antworten auf eine mögliche Entnahme – im Klartext: die Tötung des Tieres – aus. Für den Wolfsexperten ergibt sich die Forderung, dass die Frage „Wolf oder Hybride?“ bei allen Untersuchungen künftig ins Zentrum gerückt werden müsse. Gerhards empfiehlt außerdem die Einschaltung eines unabhängigen Kraniologie-Prüfers, eines Spezialisten für die Beschreibung von Schädeln. Als Experten in diesem Gebiet nannte er Professor Hermann Ansorge, den Verantwortlichen beim Senckenbergmuseum für Naturkunde.

(hs)
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