Hamminkeln Felisas Puls geht hoch, wenn der Papa kommt

Hamminkeln · Familie Krzis in Mehrhoog gibt Pflegekindern Geborgenheit. Die kleine Felisa-Sophie sorgt für eine ganz besondere Herausforderung. Das Kind ist mehrfach schwerstbehindert. Weihnachten wird es drei Jahre.

 Eine nicht ganz normale Familie (v.l.): Felisa-Sophie, Justin, Sarah, dahinter Thomas, Petra und Lukas Krzis, hinten Mark Schuppert vom Verbund Sozialtherapeutische Einrichtungen und Pflegedienstlerin Domenica van Dellen

Eine nicht ganz normale Familie (v.l.): Felisa-Sophie, Justin, Sarah, dahinter Thomas, Petra und Lukas Krzis, hinten Mark Schuppert vom Verbund Sozialtherapeutische Einrichtungen und Pflegedienstlerin Domenica van Dellen

Foto: Malz

Felisa-Sophie wird am zweiten Weihnachtstag drei. So selbstverständlich ist das nicht. Das Kind ist schwerstbehindert. Von Geburt an. Sein Zimmer im Haus an der Berliner Straße in Mehrhoog, in dem ihr großes Therapiebett steht, ist sehr behaglich eingerichtet, von der Decke hängt ein Schaukeltuch. Ihr Lieblingsplatz. Doch der zweite Blick zeigt: Es handelt sich um ein Intensivkrankenzimmer. Felisa-Sophie ruht sich aus. Kinderkrankenschwester Domenica van Dellen sitzt an ihrem Bett und gibt Acht.

Das Kind, das weder Kopf noch Gliedmaßen kontrollieren kann und über eine Sonde ernährt wird, atmet durch eine Öffnung in der Luftröhre. Mit einer Pumpe muss regelmäßig Schleim abgesaugt werden. Jeden Tag, rund um die Uhr. Seit März kommt ein Pflegedienst. Seither können Petra (48) und ihr Mann Thomas Krzis (49) nachts wieder durchschlafen.

Felisa-Sophie ist ihr Pflegekind. Die Krzis haben sie als Frühchen, das in der 31. Schwangerschaftswoche zur Welt kam, bekommen. Dass das Mädchen behindert sein würde, wussten sie. Wie schwer, konnte zunächst niemand sagen. "Wir haben nach dem Herzen entschieden und sie zu uns genommen", sagt die Pflegemutter. Inzwischen wissen sie und ihr Mann, dass das Kind, das sie aus tiefster Überzeugung "unsere Tochter" nennen, nur eine sehr begrenzte Lebenserwartung hat. Sie lernen täglich, damit umzugehen.

Es war keine leichtfertige Entscheidung damals. Die Krzis hatten im Frühjahr 2011 schon viel Erfahrung als Pflegefamilie. Nachdem die eigenen vier Kinder — bis auf Nachzügler Lukas (12) — aus dem Haus waren, führten sie zunächst ein Kindertextilgeschäft in Hamminkeln.

"Wir haben schnell gemerkt, dass ein Kinderlächeln so viel wertvoller ist, als Geld in der Kasse zu zählen", sagt die 48-Jährige, die seit 2002 einen "Fulltime-Job" in der Stelle für Dauer- und Bereitschaftspflege macht. Ihr haben die Jugendämter seither gut ein Dutzend Schützlinge anvertraut. Sie kann sich auf ihren Mann verlassen, der als Industriemechaniker arbeitet. "Beide Partner müssen das wollen, sonst geht's nicht", sagt die Mehrhoogerin.

Natürlich beansprucht Felisa viel Aufmerksamkeit. Aber neben Lukas sollen auch Adoptivsohn Justin (8) und Pflegetochter Sarah (5) nicht zu kurz kommen — beide haben Schlimmes erlebt und "ihr Päckchen" mit in die neue Familie gebracht. Da stoßen auch taffe Pflegeeltern mal an Grenzen, wie sie einräumen. Zum Auftanken sei eine Pflegeelterngruppe unverzichtbar. "Da treffen wir Menschen, die wissen, wovon wir reden", sagt Petra Krzis über die Bedeutung eines funktionierenden Netzwerkes.

Dazu gehört im Sommer auch der Awo-Kindergarten in Mehrhoog. In der integr ativ geführten Kita hat die Dreijährige einen Platz sicher. Ihre Mutter hat dafür gekämpft und schätzt die Arbeit dort, die sie seit Jahren kennt. "Ich bin der Leitung so dankbar, dass sie das möglich macht." Professionelle Unterstützung findet Familie Krzis auch beim Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE), der im Münsterland 310 Pflegefamilien betreut.

Petra Krzis macht Familien Mut, die überlegen, Kinder in Pflege zu nehmen: "Man wächst und bekommt so viel zurück." Ihr Mann nickt. In der Zeit vorm Pflegedienst hat er nachts seine Frau am Bettchen von Felisa abgelöst. Seine Tochter hat sich gefreut. Sagen konnte sie es nicht. Aber ihr Puls schnellt hoch, wenn Papa kommt.

(RP)
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