Robert Buchalik Eine Weltneuheit soll Flachglas retten
Wesel · Die Beratungsgesellschaft Buchalik Brömmekamp aus Düsseldorf glaubt an eine Zukunft von Flachglas. Die Hoffnung ruht auf einem neuen Produkt. Bei dem finanziell angeschlagenen Weseler Sicherheitsglas-Spezialisten fallen 20 bis 30 Jobs weg.
Wie berichtet, hat der Weseler Bau- und Sicherheitsglas-Spezialist Flachglas (170 Mitarbeiter) beim Duisburger Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Um das finanziell angeschlagene Traditionsunternehmen zurück auf die Erfolgsspur zu bringen, hat die Düsseldorfer Unternehmensberatungsfirma Buchalik Brömmekamp ein Sanierungskonzept erarbeitet. Geschäftsführer Robert Buchalik (60) ist überzeugt, die Firma mit neuen Produkten und einem reduzierten Mitarbeiterstab — zwischen 20 und 30 Arbeitsplätze werden dem Rotstift zum Opfer fallen — wieder wettbewerbsfähig zu machen.
Seit der ersten Insolvenz 2010 sind Sie und Ihre Mitarbeiter für die Flachglas GmbH als Berater tätig. Was ist passiert, dass nun erneut ein Insolvenzantrag gestellt werden musste?
Buchalik Zunächst einmal ist eines ganz wichtig: Hätten wir nicht reagiert und nach neuem Recht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt, wäre Flachglas spätestens im Februar am Ende gewesen. Doch wir haben frühzeitig reagiert und werden Flachglas zurück auf Erfolgskurs bringen. Das ist schließlich unser Geschäft.
Wie genau ist die Firma Flachglas in diese missliche Situation geraten?
Buchalik Als wir nach der ersten Insolvenz mit der Sanierung der Firma begonnen haben, lag der Umsatz bei 17 Millionen Euro. Vor der Krise 2008 lag er bei 22 Millionen Euro, in der Krise bei 13 Millionen. Die ersten drei Monate dieses Jahres liefen so gut, dass wir unsere Prognosen von 17 auf 19 bis 20 Millionen Euro erhöht haben. Das ging dann auch alles gut — bis zum Mai.
Und dann?
Buchalik Dann gingen die Aufträge von jetzt auf gleich massiv zurück. Ursache dafür war das Einbrechen des Solarmarktes durch Wettbewerber aus Fernost. Dumpingpreise haben dafür gesorgt, dass deutsche Hersteller von Solarglas bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen verzeichnen mussten. Sie haben sich ihrerseits neue Aufgabenfelder gesucht und uns unter Insolvenzbedingungen zu Dumpingpreisen Marktanteile weggenommen. Der prognostizierte Umsatzanstieg kam demnach nicht. Und: Durch den schwachen Euro ist der Markt in Spanien, Frankreich, Italien und sogar in Holland weggebrochen.
Im November waren die Auftragsbücher so voll, dass an drei Samstagen drei Schichten gefahren wurden.
Buchalik In den letzten Wochen geht es wirklich wieder stark bergauf. Trotzdem wollen wir jedes Risiko vermeiden. Dass das Gesetz uns jetzt die Möglichkeit gibt, eine Insolvenz in Eigenverantwortung durchzuführen, ist fantastisch.
Und wie geht es jetzt konkret weiter? Was passiert mit den Mitarbeitern?
Buchalik Die bekommen zunächst von der Arbeitsagentur drei Monate lang Insolvenzgeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Das Unternehmen spart also Personalkosten. Außerdem holen wir uns vom Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer zurück, die von Ende November bis zur Eröffnung des Verfahrens Ende Januar gezahlt wird. Unter anderem so und durch den Verzicht von Gläubigern werden wir unser Eigenkapital erhöhen. Das ist die bilanzielle Seite. Jetzt kommt die betriebswirtschaftliche. Wir planen 2013 einen Umsatz von 15 Millionen Euro. Um profitabel arbeiten zu können, müssen Kosten in Höhe von einer Million Euro gespart werden. Wir haben zu viele und zu teure Mitarbeiter. Einige haben noch alte Pilkington-Verträge und bekommen 36 Tage Urlaub im Jahr. Bei unseren Mitbewerbern sind 25 Tage im Jahr die Regel.
Wie viele Arbeitsplätze wird die Sanierung kosten?
Buchalik Es gibt ein schriftliches Konzept, das der Belegschaft auch seit der Betriebsversammlung vergangene Woche bekannt ist. 20 bis 30 Stellen müssen abgebaut werden. Anders geht's nicht. Das werden harte Einschnitte für die Mitarbeiter. Das ist die eine Seite. Die andere: Seit der ersten Sanierung wird an neuen Produkten gearbeitet. Unter anderem haben unsere fluoreszierenden Scheiben mittlerweile die nötige Marktreife.
Was muss man sich darunter vorstellen?
Buchalik Bei der Düsseldorfer Flughafen-Brandkatastrophe fiel der Strom aus, die Gänge waren stockdunkel. Unser Glas leuchtet auch vier Stunden nach einem Stromausfall noch. Aktuell sind wir an einem sehr interessanten Projekt dran. Die Türkei will 400 Milliarden Euro in das Thema Erdbebensicherheit investieren. Und dazu passen unsere fluoreszierenden Scheiben. Es werden bereits intensive Gespräche mit türkischen Investoren geführt.
Zur Produktion braucht die Flachglas doch sicher Spezialmaschinen.
Buchahlik Wir müssen in moderne Maschinen und neue EDV investieren. Das Geld, das dazu nötig ist, werden wir jetzt durch die Insolvenz in Eigenverwaltung generieren. Mit diesem innovativen Produkt, das in Wesel entwickelt wurde, haben wir gegenüber der Konkurrenz sicher einen Vorsprung von zwei Jahren.
Das Gespräch führte Klaus Nikolei.