Wesel Ein Festival der Extraklasse am Schloss

Wesel · Die Marienthaler Festspiele am neuen Standort Schloss Diersfordt begeisterten die Fans mit außergewöhnlichen Könnern aus aller Welt. Die Zuschauer im Zelt erlebten ein Programm voller Überraschungen.

Mit wirbelnden Fingern und mitreißenden Rhythmen begannen Freitagabend die Marienthaler Festspiele am neuen Standort Schloss Diersfordt. Schlossherrin Petra Beichert und Künstlerischer Leiter Wilfried Schaus-Sahm begrüßten die Zuschauer im nicht ganz gefüllten Konzertzelt zu einem Programm voller Überraschungen, das einige Vorurteile widerlegte. Etwa die Zweifel, ob ein Mann und eine Trommel nicht zu wenig sind, um mit einem Solokonzert eine Stunde lang das Interesse wachzuhalten.

Mohamad Reza Mortazavi brauchte nicht einmal eine Minute, bis die Zuhörer mit höchster Aufmerksamkeit an seinen Fingern hingen. Was der 35-jährige Iraner aus seinen Instrumenten holte, war sensationell. Er ließ die Trommeln klicken, schnalzen, lachen und ploppen. Wellen rauschten heran, Tiere raschelten und trappelten, Echoeffekte und Geigerzählergeräusche erinnerten in ihrer Präzision an elektronische Musik, entstammten aber tatsächlich nur den zehn Fingern dieses Meisterpercussionisten. Dabei vergaß er nie, seine verblüffende Fingerfertigkeit in Grooves einzubinden. Am Ende bewies er sogar noch, wie melodisch man trommeln kann, und bedankte sich mit einer witzigen Version von Mozarts "Kleiner Nachtmusik" beim begeisterten Publikum.

Anschließend überraschte auch Dirk Raulfs Auftragskomposition "60 Minuten. Flussabwärts" positiv. Was im Programmheft nach einer mit Theorien und Konzepten überladenen Kopfgeburt klang, entpuppte sich bei seiner Uraufführung als gut hörbarer musikalischer Bilderbogen rund um das Thema Wasser. In die weichen, tiefen Bläserklänge von imposanten Bass-Saxophonen fügte Schauspielerin Meret Becker Lieder und Textrezitationen, die in die Tiefsee führten. Im Bühnenhintergrund beruhigten Projektionen von Flüssen, Fischen und spiegelnden Wasseroberflächen. Gitarrist Thorsten Drücker setzte wichtige Impulse, die das Stück in Richtung Jazz, Rock und Kammermusik schoben, bevor es mit Filmmusikklängen zu Toy Piano und singender Säge endete.

Zum Abschluss des Abends präsentierte sich Pianist Joachim Kühn so geerdet wie lange nicht. Ein virtuoser Instrumentalist ist er von jeher, jetzt tritt im Trio Chalaba seine Auseinandersetzung mit afrikanischen Rhythmen immer stärker in den Vordergrund. Mit Kühn, Majid Bekkas, der an der bassähnlichen Guembri für Fundament und klare Strukturen sorgte, und dem einfallsreichen Schlagzeuger Ramón López kamen drei starke und sehr unterschiedliche Charaktere zusammen. Da war nicht nur das Zuhören, sondern vor allem auch das Zusehen ein hochinteressantes Vergnügen, als Afrikanisches, Jazz, Blues und Ethno-Rhythmen zu einem schlüssigen, energiegeladenen Weltjazz zusammenkamen. — WDR 3 sendet Ausschnitte am 19. September und 7. Oktober jeweils ab 20.05 Uhr.

(RP)
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