Hamminkeln Die Rückkehr des Wolfes polarisiert

Hamminkeln · Bei der Info-Veranstaltung der BUND-Kreisgruppe gab es in Brünen erregte Debatten. Nutztierhalter fürchten die Nachfolger der Wölfin von der Dingdener Heide. Naturschützer freuen sich auf das erste Rudel am Niederrhein.

"Der Wolf polarisiert, die Emotionen gehen hoch", stellte Ulf Helming, Wolfsbeauftragter des NRW-Schafzuchtverbandes, zu Beginn seines Vortrags fest. Den Beweis lieferten die Wortbeiträge im rappelvollen Saal bei Majert in Brünen. Naturschützer bekommen leuchtende Augen, weil sie nach der beutereichen Stippvisite einer Wölfin in der Dingdener Heide bald das erste Rudel in Nordrhein-Westfalen erwarten. Die Nutztierhalter fürchten die Rückkehr des Raubtiers, nicht nur wegen Ziegen und Schafen, wie sie in der Heide gerissen worden waren, sondern auch wegen Rindern und Pferden auf den Weiden. Dazu kommt, dass das Land zwar Entschädigungen zahlt, aber den Forderungen von Wolfsberatern mächtig hinterherhinkt. Selbsthilfe ist auch kein Mittel: Der Abschuss von Wölfen ist verboten. In der Veranstaltung der BUND-Kreisgruppe Wesel sollte es vor allem um Versachlichung gehen. Das aber hatte seine Grenzen. Naturschützer Uwe Tichelmann vom Freundeskreis freilebender Wölfe aus der Lausitz hat viel Erfahrung mit der Ausbreitung der Wölfe und warnte vor Urängsten. "Man kann unbeschwert in den Wald gehen. Ich habe mehr Angst vor Wildschweinen als vor Wölfen", sagte er. Wie soll sich ein Spaziergänger verhalten? "Trifft er auf einen Wolf, stehen bleiben, das Tier laut ansprechen und sich langsam zurückziehen", sagte der Fachmann. Auch Hundehalter auf Spaziergang sollten sich immer so verhalten. Probleme mit Wölfen habe es in Vergangenheit dennoch gegeben, meist mit angefütterten Tieren, die ihre Scheu verloren hätten.

Wann und ob der Wolf nach NRW kommt, weiß niemand. Die Wölfin von der Dingdener Heide war der elfte Nachweis und stammt laut genetischen Untersuchungen aus dem ostdeutschen Bestand. Jungtiere wandern, und es kann gut sein, dass im nächsten Jahr wieder Wölfe hierzulande durchwandern. Treffen sich Männchen und Weibchen, kann innerhalb von einem bis eineinhalb Jahren ein sieben bis acht Tiere starkes Rudel entstehen - Nordrhein-Westfalen ist sogenanntes "Wolfserwartungsland". Da Wölfe gut schwimmen können, sind auch kleinere Flüsse keine Barriere für sie.

Für heimische Nutztierhalter ist die Gefahr deshalb real. "Was geschieht, wenn ein Wolf meine Rinderherde aufscheucht und die Tiere in Panik ausreißen?", fragte ein Landwirt aus Wesel-Obrighoven. "In Loikum hat der Wolf Rehe direkt neben unserem Pferdehof gejagt. Wenn er Pferde angreift, werden unsere Kunden fernbleiben", sagte eine Landwirtin. In Niedersachsen habe es dieses Jahr 348 Risse von Wölfen gegeben, u. a. an 22 hochtragenden Kühen, wurde eingeworfen. Auch Schafhalter sind in großer Sorge.

Wolfsberater Helming machte klar: "Der Wolf wird kommen. Wölfe sind Opportunisten, sie nehmen die leichte Beute, die brauchen keine Urwildnis. Wir raten zu Elektronetzzäunen und deren genaue Ausrichtung, der erste Stromschlag muss sitzen auf Wolfs Nase. Gut ausgebildete Hütehunde sind wichtig." Wie der Aufwand bei mehreren Weiden und Koppeln geleistet werden kann, blieb aber unklar. Helming riet, politisch zu handeln. "Die Forderung an die Politik in NRW ist, alle Folgeschäden auszugleichen - neben Fördermitteln für Zäune und anderes." Schließlich sei die Rückkehr des Wolfs politisch gewollt. Die Konflikte werden wohl dennoch bleiben. Naturschützer und Wolfsberater urteilten deckungsgleich: "Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da Wölfe beschossen werden müssen. Aber noch ist der Erhaltungszustand der Art nicht stabil."

(RP)
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