Hamminkeln Die Maikäfer sind wieder da

Hamminkeln · "Es gibt keine Maikäfer mehr", sang Reinhard Mey einst voller Trauer. Stimmt aber nicht. In der Eiche auf dem Hof von Aga Grütjen in Brünen wimmelt es vor braunen Krabblern, die einst eine Plage für Landwirte waren. Erinnerungen an die Nachkriegszeit werden wach.

Die alte Eiche reckt ihre mächtigen Äste in den Himmel. Das dichte Laub wirkt auf eigenartige Weise äußerst belebt. Überall auf den Zweigen kribbelt und krabbelt es. Unzählige braune Maikäfer fressen sich am frischen Grün der Eichenblätter satt. Aga Grütjen, bis zur Pensionierung Verbraucherschützerin in Wesel, staunte nicht schlecht, als sie jetzt das ungewöhnliche Naturschauspiel auf ihrem Hof an der Raesfelder Straße (B 70) in Brünen entdeckte.

"Ich wollte gerade in die Stadt fahren und war doch sehr überrascht", erzählt die Brünerin. "Auf dem Baum und auch auf dem Boden darunter war alles voller Maikäfer." Die soll es ja angeblich überhaupt nicht mehr geben. In den letzten Jahren habe sie die Insekten schon häufiger an dieser Stelle beobachten können, jedoch noch nie so zahlreich wie jetzt.

Sammlung der Plagegeister

"Noch vor ein paar Jahren waren Maikäfer richtig rar, aber die Population ist von Jahr zu Jahr gestiegen", sagt Grütjen. Ihre Eltern hätten erzählt, dass im Ersten und Zweiten Weltkrieg die Kinder zum Sammeln der Maikäfer losgeschickt wurden, so Grütjen. Ihr Schwager, der in der ehemaligen DDR aufwachsen ist, habe diesen Brauch noch in den 50er und 60er Jahren kennengelernt. Das Einsammeln der Käfer hatte einen Grund. "Die Engerlinge im Boden fressen die Wurzeln der Pflanzen", weiß Grütjen. Bei massenhaftem Aufkommen hätten die Käfer der Landwirtschaft so sehr großen Schaden zugefügt.

In den 50er bis 70er Jahren wurden Maikäfer deshalb massiv mit Insektiziden bekämpft. Offenbar so erfolgreich, dass Reinhard Mey in seinem Lied "Es gibt keine Maikäfer mehr" schon das Aussterben der Art beklagte. "Ich bin praktisch ohne Maikäfer groß geworden. Jedenfalls habe ich keine bewusste Erinnerung daran", sagt Aga Grütjen. Auch ihre Tochter Anke kann sich nicht an frühere Begegnungen mit den Krabblern erinnern. "In natura habe ich Maikäfer als Kind nie gesehen", sagt sie. Ihre eigenen Kinder Annalena (9) und Jan (11) können wie Max und Moritz bei Wilhelm Busch Maikäfer vom Baum sammeln. Auch Annalenas Schulfreundinnen Paula (8) und Erja (7) staunen. Sie haben keine Scheu, die Tiere anzufassen.

Die Käfer im Geäst sind derweil sehr beschäftigt. Kaum geschlüpft, verpaaren sich die Tiere schon, um eine neue Generation kleiner Maikäfer zu zeugen. Zehn bis hundert Eier legt jedes Weibchen in den Boden, wo die Larven vier Jahre leben, bevor sie sich verpuppen und als fertige Käfer aus der Erde krabbeln.

(RP)
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