Wesel Die Êziden: eine Religions- und Leidensgemeinschaft

Wesel · Als "Flüchtlinge im eigenen Land" bezeichnet Dr. Khali Savucu die Êziden in der Türkei. Bei einer Infoveranstaltung gab der Referent seinen Zuhörern im êzidischen Kulturzentrum in Wesel einen Einblick in die Geschichte, Kultur und Religion der Êziden.

"Über 90 Prozent der Êziden hat selbst keine Ahnung von Religion", erklärte der Experte zu Beginn seines Vortrags. Denn das Êzidentum ist zwischen 2000 und 2500 Jahre älter als das Christentum und hat eine komplexe Vergangenheit.

"Die Êziden wurden systematisch vom türkischen Staat verfolgt, weil sie Kurden sind", erklärte Khali Savucu. Es handele sich j um doppelte Unterdrückung, da die Êziden ebenfalls von kurdischen Muslimen verfolgt wurden, weil sie keine Muslime sind. "Heute gibt es nichtmals 500 Êziden in der Türkei", fügte Savucu hinzu. Die meisten seien geflohen oder zum Islam konvertiert. "Die Êziden sind somit nicht nur eine "Religions-, sondern auch eine Leidensgemeinschaft", bemerkte Khali Savucu erschüttert. Ihre Mitglieder üben keine missionierende Religion aus, sondern sind gegenüber anderen Glaubensformen tolerant. "Wir müssen unsere über 4000 Jahre alte Religion schützen", ist die Meinung vieler Êziden. Aus diesem Grund wollen sie nicht zu anderen Religionen konvertieren, obwohl Zwangsislamisierungen und Völkermorde an den Êziden stattgefunden haben.

In Wesel gibt es den Verein des ezidischen Kulturzentrums seit 1998. Im Kreis Wesel leben 300 ezidische Familien, darunter 100 direkt in Wesel. "Uns ist wichtig, dass wir hier im Exil in unseren Gemeindehäusern unsere Kultur traditionell ausleben können", sagte Xeriya Al-Sile, die stellvertretende Vereinsvorsitzende. "Trotz der Angst, in der wir Êziden ständig leben mussten, haben wir niemals unsere Muttersprache, Kultur oder unseren Glauben verloren", fügte Al-Sile stolz hinzu.

Aus diesem Grund hat das ezidische Kulturzentrum in Wesel ein großes Programm ausgearbeitet, an dem alle ezidischen Familien teilnehmen könne. Neben religiösen Feiern finden im Kulturzentrum auch Projekte für Jugendliche statt.

(lm)
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