Hamminkeln Die Datenautobahn schweißt zusammen

Hamminkeln · Der nach Loikumer Muster extra für die Brüner Unterbauerschaft gebaute Kabelpflug geht ins sandige Erdreich wie durch Butter. Die Anwohner helfen tatkräftig mit, um Ende des Jahres mit einem Glasfaseranschluss verkabelt zu sein.

 Ohne Gemeinschaftssinn geht es nicht. In der Nachbarschaft packen alle für ein schnelleres Internet gemeinsam an.

Ohne Gemeinschaftssinn geht es nicht. In der Nachbarschaft packen alle für ein schnelleres Internet gemeinsam an.

Foto: Christian Quik

Es geht voran in der Brüner Unterbauerschaft. Generalstabsmäßig sind viele Helfer im Einsatz, um den Außenbereich mit Glasfaserleitungen zu bestücken. Spülbohrung unter der Großen Ley, Einsatz des Kabelpflugs bis zum Schlümersweg, wo der Hauptverteiler stehen wird, und dann immer weiter. Die verstreut liegenden Gehöfte, Häuser und Firmengebäude werden bald ihre superschnellen Auffahrten zur Datenautobahn haben.

Hier im Außenbereich weiß man sich zu helfen und man hat auch Fachleute dabei, die wissen, wie man eine solche Verlegeaktion managt. Bernd Mölls-Hüfing zum Beispiel. Er hat berechnet und koordiniert den Einsatz von Maschine und Mensch. Wissen und Material stammt manchmal aus der direkten Umgebung. Der Kabelpflug zum Beispiel wurde neu gebaut nach den Erkenntnissen der Landwirte aus Loikum, die es einst - Stichwort: "Fiber to the Landlords" - vorgemacht hatten, wie stark vereinte Selbsthilfekräfte machen.

Ohne Gemeinschaftssinn geht es nicht. "Die nun angelaufene Praxisphase zeigt: Ein tolles Gefühl, wenn man hautnah erlebt, dass die Nachbarschaft mit dem Projekt zusammenwächst", sagt Anwohner Christian Quik. Wer viel arbeitet muss auch gut versorgt werden. Waltraud Heiligenpahl vom Horster Weg hat aufgetischt an diesem arbeitsreichen Tag. "Ich finde es toll, bald das schnelle Netz zu bekommen. Noch dauert es ewig, wenn wir online sind", berichtet sie. Sie verpflegt die Mannschaft gerne und es hat etwas von stimmungsvollem Picknick, wenn alle im Schatten unter der Linde an der improvisierten Tafel pausieren. Die Aufgabe eint. Die Erfahrung: Sobald ein Nachbar beziehungsweise der Verein anfängt zu buddeln, kommen andere Nachbarn und Vereinsmitglieder mit der Schüppe dazu oder lassen sich erklären, wie die Verlegung der Leerrohre funktioniert, in die später Betreiber Innogy die Glasfaserleitung einblasen wird.

So war es auch schon am Horster Weg. Hier entwickelte sich eine ebenso tatkräftige wie gesellige Runde am und im offenen Graben oder am Kabelpflug. Klingt gut, ist aber auch anstrengend und dicht zeitgetaktet. Zunächst wird vom Verein die Hauptlinie - also das "dicke Kabel" MD24 - gezogen. Erst nach erfolgter Druckprüfung dieses Strangs können die Hausanschlüsse hergestellt werden. Die drei nötigen Spülbohrungen laufen derzeit. Die Hauptlinie im ersten Bauabschnitt (nördlich der L480) liegt schon in etwas über einem Meter Tiefe. Diese 1,4 von 17 Kilometern sind innerhalb von wenigen Stunden und in einem Rutsch, dank einer klasse Bauvorbereitung durch Bauleiter Bernd Mölls-Hüfing, eingepflügt worden. Mittlerweile ist dort schon die technisch nötige Einmessung erfolgt. "Ein wahnsinniger Aufwand, logistisch, von den Berechnungen her und der Einsatzkoordination", sagt der Bauleiter, ein Tatmensch und Anpacker. "In den vergangenen 72 Stunden habe ich gerade einmal zehn Stunden geschlafen", erzählt er und zeigt stolz den 300 PS starken Schlepper, der den Pflug zieht. Übrigens im Doppel mit einem weiteren 300-PS-Giganten. Nicht, weil die Kraft eines Schleppers nicht reicht, sondern weil erst beide das nötige Gewicht mitbringen, um die temporeiche Verlegung zu leisten.

Einer, der sich auskennt, ist Hubert Tenbusch, seines Zeichens Mit-Erfinder des Kabelpflugs von Loikum. Er ist begeistert, wie Bauvorbereitung und Ausführung ablaufen. "Wir haben ja schon viel gesehen, aber so eine perfekte Bauvorbereitung und Bauausführung gab es bisher noch nie." Der nach Loikumer Muster extra für die Unterbauerschaft gebaute Pflug geht ins sandige Erdreich wie durch Butter und das Leerrohr wird sofort und enorm schnell eingebracht. 2400 Meter an diesem Tag zu verlegen ist die hochgesteckt Planung. Muss es auch, denn der Tiefbau verursacht 80 Prozent der Kosten. Selbsthilfe und Tempo sind da ein kostensparendes Muss. Dennoch zahlt jeder der 85 Anzuschließenden noch 1500 Euro für die Investition in Glasfaser.

Hubert Tenbusch jedenfalls ist zufrieden, wie die Loikumer Erfindung arbeitet. Das Selbsthilfegerät hat sich inzwischen zur Geschäftsidee gemausert. Im Westfälischen, zum Beispiel in Ascheberg, wächst die Nachfrage nach dem Kabelpflug. Am Horster Weg sah sich auch ein Vertreter der Stadtwerke Rhede den Einsatz an. Das Unternehmen schließt demnächst in Nordbrock an, Havelich steht anschließend auf dem Programm. Die Unterbauerschaft soll am Jahresende verkabelt sein.

Obst- und Spargelbauer Heinz-Wilhelm Hecheltjen freut sich schon auf schnelle Daten - für seinen Sohn, der den Anschluss ersehnt. Absehbar wird die als zukunftsfest geltende Glasfaser im Außenbereich Alltag sein. Dann können sich die Selbsthelfer mit vielen Bildern an ihren großen Einsatz erinnern. Christian Quik verschickt viele Fotos und Erläuterungen, Dankes- und Ermunterungsmails, damit die Zusammengehörigkeit gestärkt und der Stand der Dinge dokumentiert werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort