Hamminkeln Der Staatsanwalt übernimmt

Hamminkeln · Nach der Befreiung des eingesperrten Jungen (7) in Hamminkeln ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen "Missbrauch Schutzbefohlener". Jugendamt hatte lange "keine Handhabe" gegen die Eltern – bis zum Samstag.

Nach der Befreiung des eingesperrten Jungen (7) in Hamminkeln ermittelt nun die Staatsanwaltschaft wegen "Missbrauch Schutzbefohlener". Jugendamt hatte lange "keine Handhabe" gegen die Eltern — bis zum Samstag.

In der verkehrsberuhigten dörflichen Stichstraße erinnerte gestern Mittag nichts mehr an das Drama, das sich hier vor knapp einer Woche abgespielt hat. Ein älterer Mann saugt ausdauernd sein Auto, eine Mutter, die ihren Zögling aus dem Kindergarten abgeholt hat, parkt ihren Wagen ein. Alles scheint wie immer. Doch es fällt den Anwohnern schwer, zur Tagesordnung überzugehen. "Es ist fürchterlich, neben Leuten zu wohnen, die ihr Kind missbrauchen", sagt eine Nachbarin.

Die Kinderkrankenschwester benennt ungeschminkt ihr Unbehagen darüber, "dass diese Leute noch immer hier wohnen". Seit gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Eltern, die ihren siebenjährigen Sohn nackt im Keller ihres Reihenhäuschens eingesperrt und allein zurückgelassen hatten. Der Vorwurf ist schwerwiegend: Misshandlung von Schutzbefohlenen. Strafmaß: zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Gefängnis.

In der Schule häufig gefehlt

Wie ausführlich berichtet, hatte das Jugendamt des Kreises Wesel nach Hinweisen aus der Nachbarschaft am Samstag mit Hilfe der Polizei den völlig verängstigten Jungen aus seinem Verlies befreit und in einer Pflegefamilie untergebracht. Damit war für den Jungen ein vermutlich langes Martyrium zu Ende. Das Jugendamt ist nach eigenen Angaben seit Beginn des Jahres Hinweisen von Großeltern und Nachbarn nachgegangen, die überzeugt waren, dass mit der Familie, insbesondere im Umgang mit dem Siebenjährigen, etwas nicht stimmt. Von Unterernährung, blauen Flecken, Jähzorn des Stiefvaters sei die Rede gewesen.

Im Januar und Februar war das Jugendamt fünf Mal im Haus "und ist den Hinweisen intensiv und mit geschultem Blick" nachgegangen. Jeder Besuch dauerte knapp zwei Stunden. "Doch unsere Mitarbeiter konnten die Vorwürfe nicht verifizieren", sagte gestern Gerd Patzelt, Sprecher des Kreises Wesel. So habe es keine Handhabe gegeben einzugreifen. Einzig der sehr unregelmäßige Schulbesuch des Zweitklässlers war ein unleugbares Indiz.

Die Grundschulleiterin beteuert, dass sie frühzeitig alles unternommen habe, die Behörden auf die Familie aufmerksam zu machen. Das Jugendamt bestätigte, dass wegen Verletzung der Schulpflicht das Familiengericht eingeschaltet war. Erst die erschütternde Entdeckung im Keller habe die Möglichkeit eröffnet zu handeln, das akute Leiden des Jungen zu beenden. Das Familiengericht habe dem Jugendamt die Vormundschaft signalisiert. "Nun können Fachleute überlegen, wo der Junge langfristig am besten untergebracht ist", so Patzelt.

(RP)
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