Corona-Infektionen im Kreis Wesel Das private Umfeld als Risikogebiet
Kreis Wesel · Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis Wesel liegt bei 31,3 – das Gesundheitsamt kann nicht mehr alle Infektionsketten nachverfolgen. Die meisten Menschen stecken sich im privaten Umfeld an, also an der Kaffeetafel oder beim Glas Wein.
Der Ort, an dem das Virus am häufigsten übertragen wird, ist ein sehr vertrauter. Es sind die eigenen vier Wände oder die von Verwandten und Freunden. Freilich stecken sich in Schulen, Kitas und beim Kontaktsport einige an, aber die meisten Menschen im Kreis Wesel infizieren sich „im privaten Umfeld“ mit dem Coronavirus, wie der Kreis auf Anfrage mitteilt.
Privates Umfeld heißt: Kaffeeklatsch mit Verwandten, Weinabende mit den Nachbarn, Treffen mit Freunden. „Vereinzelt sind hierbei auch private Feiern beziehungsweise gemeinsame Freizeitaktivitäten ursächlich“, teilt die Kreisverwaltung mit. Entscheidend für das aktuelle Infektionsgeschehen – es sind ja immer bloß Momentaufnahmen – sind private Begegnungen.
Das Coronavirus ist zurück. Eigentlich war es nie weg, aber in den Köpfen war es in die hintere Abteilung gewandert. Gegenwärtig, aber nicht immer bestimmend waren die Einschränkungen, die die Pandemie in den vergangenen zwei, drei Monaten mit sich brachte. Nun steigen die Infektionszahlen weltweit wieder rasant. Immer mehr Städte und Kreise in Nordrhein-Westfalen werden zu Risikogebieten erklärt. Das heißt, der Wert der Sieben-Tage-Inzidenz klettert auf über 50.
Im Kreis Wesel liegt der Wert am Dienstag bei 31,3. Damit befindet sich der Kreis noch unter den Grenzwerten von 35 beziehungsweise 50. Kommunen wie Dinslaken liegen zwar bei über 40, aber die Regelungen der Corona-Schutzverordnung differenzieren nur zwischen Kreisen und kreisfreien Städten. Maßnahmen müssen erst ergriffen werden, wenn der Wert kreisweit die kritischen Marken erreicht hat.
Der Kreis bereitet sich deswegen auf den bald zu erwartenden Fall vor, dass die Sieben-Tage-Inzidenz auf über 35 steigt. Am Dienstagvormittag tagte der Krisenstab des Kreises. Man sprach über Abstrich- und Testkapazitäten, darüber, wie innerhalb der Kreisverwaltung mehr Kräfte für den Fachdienst 53 – das Gesundheitsamt – gefunden werden können und was geschieht, wenn die entscheidenden Werte überschritten werden. Dazu fand am Nachmittag auch eine Telefonkonferenz des Kreises mit den Städten und Gemeinden statt. Die Ergebnisse daraus sollten zunächst mit dem NRW-Gesundheitsministerium abgestimmt und am Mittwoch bekannt gegeben werden.
Unabhängig von den Maßnahmen, die der Kreis ergreifen will, legt ein Erlass des Gesundheitsministeriums von Dienstag Einschränkungen fest. Bei Überschreiten des Wertes von 35 gilt demnach eine Ausweitung der Maskenpflicht auch auf Steh- und Sitzplätze bei Veranstaltungen (Kultur, Sport, sonstige). Zudem wären dann Versammlungen und Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern verboten.
Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz auf über 50 steigen, dürften sich im öffentlichen Raum nur noch fünf Personen oder zwei Haushalte treffen. Veranstaltungen mit mehr als 500 Personen im Außenbereich und mit mehr als 250 Personen im Innenbereich würden verboten. Zudem würden reduzierte Öffnungszeiten für Gastronomiebetriebe festgelegt sowie ein zeitlich entsprechendes Verkaufsverbot für alkoholische Getränke. Der Kreis Wesel kann weitere Maßnahmen beschließen.
Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik am Moerser Bethanien-Krankenhaus und Mitglied des Corona-Beraterstabs von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, übt Kritik am allgemeinen Vorgehen. „Das Problem, auf das wir uns fokussieren sollten, ist nicht draußen, sondern eindeutig drinnen“, sagt er. „Dass die Politik in diesem Zusammenhang jetzt nur darauf schaut, wie viele Personen sich maximal in einem Raum aufhalten dürfen, halte ich für falsch. Entscheidend ist vielmehr das Verhältnis Anzahl der Menschen pro Raumvolumen. Dort, wo viel Platz und Luft ist, können selbstverständlich auch mehr als 50 Leute zusammenkommen.“
Das Gesundheitsamt des Kreises Wesel ist unterdessen bereits jetzt „nicht mehr in allen Fällen in der Lage, Infektionsketten nachzuverfolgen, beziehungsweise zu ermitteln, wo sich eine Person angesteckt hat“, wie der Kreis mitteilt. In den vergangenen Monaten hat auch die Bundesregierung immer wieder betont, dass es zur Bekämpfung der Pandemie das wichtigste sei, schnell und sicher die Kontakte eines Infizierten nachzuverfolgen. Der Kreis geht davon aus, dass bei steigender Zahl bestätigter Fälle auch eine steigende Zahl an Fällen hinzukommt, bei denen die Betroffenen keine oder nur sehr leichte Symptome aufweisen. Das macht die Kontaktnachverfolgung noch schwerer.
Zudem ist die personelle Situation nach wie vor überaus angespannt. „Die Mitarbeitenden im Gesundheitsamt arbeiten seit Monaten an der Belastungsgrenze“, sagte eine Kreissprecherin. Die Pandemie stelle die kommunalen Gesundheitsämter noch immer vor enorme Herausforderungen. Der Kreis habe zudem zwei weitere Stellen für die Kontaktnachverfolgung ausgeschrieben, die „kurzfristig besetzt werden“ sollen. Allerdings finden sich keine passenden Bewerber.
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